Fragen an RA Michael Plassmann, Schatzmeister, Beauftragter Mediation

Michael Plassmann, Rechtsanwalt und zertifizierter Mediator

Vor gut zwei Jahren, am 1. September 2017, ist die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (ZMediatAusbV) in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hatte bereits bei Verabschiedung des Mediationsgesetzes im Jahre 2012 die Zertifizierung als Option in § 6 Mediationsgesetz (MediationsG) angelegt. Das Mediationsgesetz vom 21.07.2012 unterscheidet zwischen dem einfachen Mediator gem. § 5 Abs. 1 MediationsG, auf den § 7a BORA verweist, und dem zertifizierten Mediator nach § 5 Abs. 2 MediationsG, der die Anforderungen der mehr als fünf Jahre später in Kraft getretenen ZMediatAusbV erfüllen muss.

RA Michael Plassmann hat das Gesetzgebungsverfahren zum Mediationsgesetz als Experte für das BMJV und als Sachverständiger im Rechtsausschuss des Bundetages begleitet. Er ist Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Außergerichtliche Streitbeilegung, Beauftragter Mediation und Schatzmeister der Rechtsanwaltskammer Berlin. Und er ist zertifizierter Mediator.

Fragen zu den Voraussetzungen und den Auswirkungen der Verordnung an RA Michael Plassmann:

Kammerton: Am 1. September 2017 ist die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren in Kraft getreten. Wie viele zertifizierte Mediatorinnen und Mediatoren gibt es inzwischen?

RA Michael Plassmann: Eine genaue Zahl ist mangels eines einheitlichen Verzeichnisses seriös nicht zu nennen. Die überwiegende Zahl der Mediatoren dürfte jedoch nicht zertifiziert sein. Bei den Ausbildungseinrichtungen zeichnet sich jedoch der Trend zur zertifizierten Ausbildungsvariante ab.

Werden die Mitglieder der RAK Berlin, die den Titel führen, auf der Website der Kammer geführt?

Ja, unter www.rak-berlin.de im Bereich Recht / Mediation hat jeder Mediator die Chance, sich listen zu lassen. Eine nach Postleitzahlen sortierte Mediatorenliste enthält die Kolleginnen und Kollegen, die uns die entsprechenden Nachweise eingereicht und um Aufnahme in die Liste gebeten haben. Aktuell stehen auf der Website https://www.rak-berlin.de/das-recht/mediatorenliste.php insgesamt 212 Mediatoren, 10 davon sind zertifiziert.

 Welche Voraussetzungen muss ein „zertifizierter Mediator“ erfüllen?

Aus § 5 Abs. 2 Mediationsgesetz folgt, dass zertifizierte Mediatorinnen und Mediatoren die Voraussetzungen der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (ZMediatAusbV) erfüllen müssen. Die Verordnung verlangt einen Ausbildungslehrgang im Umfang von 120 Präsenzstunden, in dem der Inhalt des detaillierten Ausbildungskatalogs unterrichtet wird, der sich in der Anlage der Verordnung findet. Während des Ausbildungslehrgangs oder innerhalb eines Jahres nach dem Lehrgang müssen die Lehrgangsteilnehmer zusätzlich an einer Einzelsupervision im Anschluss an eine als Mediator oder als Co-Mediator durchgeführte Mediation teilnehmen. Darüber hinaus sind vom zertifizierten Mediator innerhalb von zwei Jahren nach seiner erfolgreichen Ausbildung einmalig vier weitere durchgeführte Mediationen im Wege der Einzelsupervision zu reflektieren. Alle vier Jahre müssen flankierend 40 Stunden Fortbildung absolviert werden.

Was ist Inhalt der Supervision?

Die in den eigenen Mediationen aufgetretenen Herausforderungen und Schwierigkeiten werden im Rahmen der Supervision behandelt und in konkrete Handlungsoptionen für Folgefälle überführt. Dieser kollegiale Austausch erweitert die eigene Kompetenz für zukünftige Mediationsverfahren. Eine Supervision kann jeden Rechtsanwalt – unabhängig, ob er als Mediator tätig ist – in die Lage versetzen, das eigene Know-how nachhaltig zu erweitern.

Gibt es Übergangsregelungen für die „alten Hasen“?

Das Mediationsgesetz ist am 26.07.2012 in Kraft getreten. Wer vor diesem Zeitpunkt seine klassische Ausbildung zur Mediatorin oder zum Mediator im Umfang von mindestens 90 Stunden absolviert hat, kann die „Ausbildungslücke“ durch vier geleitete Mediationen kompensieren. Allerdings müssen diese „alten Hasen“ bis spätestens zum 31.08.2019 vier weitere Praxisfälle absolviert und supervidiert haben. Eine weitere Übergangsregelung findet sich in § 7 Abs. 2 ZMediatAusbV für diejenigen Kollegen, die zwischen Erlass des MediationsG und Inkrafttreten der ZMediatAusbV eine Ausbildung absolviert haben, die der Neuregelung entspricht. Wer über seinen Status unsicher ist, kann sich jederzeit auch mit Rückfragen an uns wenden.

Welche Verpflichtungen entstehen anschließend?

Es existiert keine hoheitliche Zertifizierungsstelle. Wer aber keine Abschlussbescheinigung, die die Ausbildungseinrichtung erst nach Absolvierung der 120-stündigen Ausbildung sowie der ersten Supervision ausstellt, vorlegen kann, läuft ebenso Gefahr, abgemahnt zu werden wie Kollegen, die keine Bescheinigung des Supervisors über die vier folgenden Supervisionen bzw. keinen Fortbildungsnachweis über 40 Stunden nachweisen können.

2017 haben Sie kritisiert[1], dass in der Verordnung für die Zertifizierung nicht eine umfassendere Praxiserfahrung verlangt werde. Dies entspreche nicht der BGH-Rechtsprechung und widerspreche dem, was die Verbraucher unter einem „zertifizierten Mediatoren“ verstehen. Hat die Neuregelung in den ersten zwei Jahren trotzdem dazu geführt, dass die Mediation eine größere Bedeutung erlangt hat?

Dass die Mediation immer mehr Bedeutung erlangt, dürfte weniger an der Regelung zur Zertifizierung liegen als am Verfahren selbst. Immer mehr Mandanten erkennen, dass in festgefahrenen Situationen die Mediation eine echte Alternative zu klassischen Verfahren darstellt und im Zusammenspiel mit den Parteianwälten hervorragende Lösungen ermöglicht. Es ist die klassische anwaltliche Aufgabe, im Rahmen eines differenzierten Konfliktmanagements im Dialog mit den Mandanten zu überlegen, ob die Mediation im konkreten Fall das passende Verfahren sein kann. Diese Aufgabe, das passgenaue Konfliktlösungsinstrument – unabhängig von der Mediation – zu identifizieren und auszuwählen, ist Ausdruck des Premiumproduktes „Anwaltliche Dienstleistung“ – und zugleich nach meiner festen Überzeugung das zukunftsweisende Instrument zur nachhaltigen Mandantenbindung.

[1] AnwBl. 2017, S. 26 ff.

Kammerton 09-2019