Sollen die Insolvenzverwalter (IV) in den Rechtsanwaltskammern verkammert werden?
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat den regionalen Rechtsanwaltskammern ein Eckpunktepapier zur Einführung eines Berufsrechts für Insolvenzverwalter vorgelegt, das auf der 157. BRAK-Hauptversammlung am 25.10.2019 diskutiert und beschlossen werden soll. Die BRAK schlägt in dem Eckpunktepapier vor, dass die Insolvenzverwalter in den Regelungsrahmen der BRAO aufgenommen und die Rechtsanwaltskammern für die Zulassung der Insolvenzverwalter und die Berufsaufsicht zuständig werden.
Der Vorstand hat den Fachanwaltsausschuss für Insolvenzrecht um eine Stellungnahme gebeten und sich in der Vorstandssitzung am 11.09.2019 mit dem Eckpunktepapier der BRAK befasst.
Fragen an RAin Johanna Eyser, Vizepräsidentin der RAK, und RA Udo Feser vom Fachanwaltsausschuss für Insolvenzrecht:
Frau Eyser, warum steht die Zulassung und die Berufsausübung der Insolvenzverwalter jetzt auf der Tagesordnung?
Die EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen fordert die Regulierung der Berufszulassung und –ausübung für Insolvenzverwalter. Dementsprechend sieht der Koalitionsvertrag der großen Koalition vor, sich dieses Themas anzunehmen.
Frau Eyser, die Bundesrechtsanwaltskammer spricht sich im Eckpunktepapier dafür aus, das Berufsrecht der Insolvenzverwalter in das System der anwaltlichen Selbstverwaltung zu integrieren. Die Rechtsanwaltsanwaltskammern sollen für die Berufsaufsicht zuständig werden. So könnten bereits bestehende Erfahrungen genutzt und „closed shops“ verhindert werden. Hat sich der Gesamtvorstand dem angeschlossen?
Nein, der Gesamtvorstand der RAK Berlin lehnt sowohl die Aufnahme der Insolvenzverwalter in den Regelungsrahmen der Bundesrechtsanwaltsordnung als auch die Zuweisung der Zuständigkeit an die regionalen RAKen für die Zulassung und Berufsaufsicht der Insolvenzverwalter ab. Denn die Aufnahme der Insolvenzverwalter wäre systemfremd. Die Insolvenzverwalter unterliegen nämlich völlig anderen Regelungen, die mit dem anwaltlichen Berufsrecht wenig gemein haben. Wiederholt wurde von der Rechtsprechung klargestellt, dass der Insolvenzverwalter ein eigenständiger Beruf ist. Insofern begegnet die von der BRAK geplante Regelung im Hinblick auf Art. 12 GG auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Schließlich kann ich auch überhaupt nicht erkennen, inwiefern die von der BRAK angestrebte Regelung das Entstehen von „closed shops“ verhindern soll. Ich sehe nicht, dass die von der BRAK geplante Regelung irgendwelche Vorteile für die Insolvenzverwalter haben könnte. Auch aus diesem Grund lehnt der Vorstand der RAK Berlin das Eckpunktepapier der BRAK ab.
Herr Feser, teilt der Fachanwaltsausschuss diese Kritik des Kammervorstandes?
Der Fachanwaltsausschuss teilt die Kritik des Kammervorstandes in wesentlichen Punkten. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass Ausgangspunkt für die Überlegungen der BRAK die Regelungen im Koalitionsvertrag der großen Koalition sowie die EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen sind.
Diese EU-Richtlinie sieht die Regulierung der Berufszulassung und Berufsausübung für Insolvenzverwalter vor.
Die von der BRAK angestrebte Regelung weist erhebliche verfassungsrechtliche Probleme auf. Auf diesen Punkt wurde bereits von Frau Eyser hingewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 ausgeführt, dass es sich beim Insolvenzverwalter um einen eigenständigen Beruf mit einem eigenen Berufsbild und spezifischen Berufspflichten handelt und dass die Steuerung des Zugangs zu den einzelnen Mandaten maßgeblich durch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG gesteuert wird bzw. seinen Anforderungen genügen muss.
Sobald das Berufsrecht der Insolvenzverwalter in der beabsichtigten Art und Weise genauer normiert wird und sich der Insolvenzverwalter zu einem selbstständigen reglementierten (freien) Beruf entwickelt stellen sich Fragen in Bezug auf die Berufsorganisation und Berufsaufsicht. Probleme könnten sich daraus ergeben, dass die Arbeitsweise der Rechtsanwaltskammern in ihren Strukturen, in fachlicher Qualifikation und Interessenvertretung auf den Rechtsanwaltsberuf bezogen ist und sich bei den aufgezeigten Anforderungen erhebliche Schwierigkeiten ergeben könnten.
Herr Feser, das Eckpunktepapier der BRAK sieht eine eigene Zulassung als Insolvenzverwalter vor, für die auch die Rechtsanwaltskammern zuständig werden sollen. In der Fachöffentlichkeit der Insolvenzverwalter werden andere Modelle für die künftige Zulassung vorgeschlagen. Wofür sprechen Sie sich aus?
Die Fachöffentlichkeit der Insolvenzverwalter diskutiert schon seit geraumer Zeit verschiedene Modelle für die künftige Zulassung der Insolvenzverwalter.
Soweit ersichtlich, besteht Konsens zwischen den beteiligten Verbänden und Interessenvertretungen der Insolvenzverwalter, dass die bisher praktizierte insolvenzrechtliche Vorauswahl-Liste bei den einzelnen Insolvenzgerichten entfällt. Der Berufszugang zur Insolvenzverwaltung/Sachwaltung soll bundeseinheitlich geregelt werden. Bundesweit soll es gleich generelle Zulassungsvoraussetzungen geben. Diese sollen durch eine Verordnung bewerkstelligt werden, die Regelungen über eine bundesweite Listung (Zulassung) sowie über berufsrechtliche Verhaltensrichtlinien enthält.
Der Vorschlag der BRAK enthält nur wenige formale Kriterien für die Zulassung als Insolvenzverwalter und bleibt weit hinter den Vorschlägen der Fachöffentlichkeit zurück.
Frau Eyser, die BRAK führt an, dass der Zusatzaufwand für die Rechtsanwaltskammern durch die Zulassung und durch die Berufsaufsicht gering ausfallen werde, da mehr als 90% der Insolvenzverwalter ohnehin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen seien. Wie sehen Sie es?
Es gibt keinerlei gesicherte Zahlen, wie viel Prozent der Insolvenzverwalter Anwälte sind. Nach dem BRAK-Modell besteht daher die Gefahr, dass die regionalen RAKen letztlich über eine nicht absehbare Zahl Berufsfremder die Aufsicht zu führen hätten. Dies ist im Hinblick auf Art. 12 GG ebenfalls bedenklich. Zudem ergäbe sich auch bei den anwaltlichen Insolvenzverwaltern ein erheblicher Mehraufwand, da bei den Insolvenzverwaltern völlig andere Pflichten zu überwachen sind als bei den Anwälten. So müssten die RAKen im Rahmen der Aufsicht der Insolvenzverwalter auch Revisionen durchführen. Dies erfordert u.a. betriebswirtschaftliches Know-How. Ein derartiges Know-How ist bei den RAKen derzeit nicht vorhanden und müsste daher mit erheblichen finanziellen Mitteln erst aufgebaut werden.
Herr Feser, als Alternative zur Eingliederung in die Selbstverwaltung der Anwaltschaft gibt es aus der Richterschaft den Vorschlag, die Insolvenzverwalter an das Bundesamt für Justiz anzubinden. Der Berufsverband der Insolvenzverwalter in Deutschland spricht sich für eine eigenständige Insolvenzverwalterkammer aus. Ziehen Sie eine dieser Lösungen vor?
Der Bundesarbeitskreis der Insolvenzgerichte e.V. (Richter und Rechtspfleger) sieht keinen Bedarf für die Errichtung einer eigenen Kammer für Insolvenzverwalter und plädiert für die Wahrnehmung der Berufsaufsicht durch die Insolvenzgerichte. Der VID Berufsverband der Insolvenzverwalter e.V. bevorzugt die Etablierung einer eigenständigen Insolvenzverwalterkammer auf Bundesebene als Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Der Gravenbrucher Kreis sowie der NIVD e.V. wenden sich, vor allem mit Blick auf den bürokratischen Aufwand und die Kosten, gegen eine eigene separate Kammer für Insolvenzverwalter.
Aus dem Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz gibt es bisher keine klare Positionierung.
Gravenbrucher Kreis und NIVD e. V. teilen in ihren Diskussionsbeiträgen das Anliegen der BRAK, die enge Verbindung der Rechtsanwaltschaft zum neuen Beruf der Insolvenzverwalter zu sichern und zu diesem Zweck auch eine organisatorische Lösung zu suchen, die dem entspricht. Zur Umsetzung wird aber ein anderes Modell vorgeschlagen, das sich an der Rechtsanwaltskammer beim BGH orientiert, die ihre gesetzliche Grundlage in § 174 BRAO findet.
Im Kern wird somit nur die Mitgliedschaft in der bisherigen regionalen Rechtsanwaltskammer suspendiert sowie eine Regelung zur Organbildung getroffen.
Die spezielle Kammer verfügt damit über die üblichen Organe und ist selbstständig handlungsfähig in Bezug auf alle Selbstverwaltungsangelegenheiten.
Dies erscheint mir ein gangbarer Weg, der die Interessen des Berufsstandes am besten berücksichtigt.