RAuN Dr. Ulrich Wessels,
Präsident der BRAK,
antwortet

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels ist Sozius der Kanzlei Dr. Koenig & Partner GbR in Münster/Westfalen. Seit 1994 gehört er dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm an, war mehrere Jahre deren Schatzmeister und von 2012 bis November 2019 Präsident der Kammer. Seit 2003 ist er Vorstandsmitglied und Schatzmeister des Deutschen Anwaltsinstituts. 2015 wurde Ulrich Wessels als 2. Vizepräsident in das Präsidium der BRAK gewählt. Seit dem 14.9.2018 ist er Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer.

 

Warum sind Sie Rechtsanwalt geworden?

Das klingt jetzt langweilig, aber meiner Familie liegt die Juristerei im Blut.  Ich habe mir vorgestellt, im Rahmen der Anwaltstätigkeit sinnvoll an der Lösung rechtlicher Probleme mitzuwirken und Menschen zu helfen.

 

Ihre Vorbilder in der Anwaltschaft?

Aufs große Ganze gesehen… ganz klar unter anderem Hans Litten. Die BRAK hat ihren Sitz ja nicht nur in der Littenstraße, sondern auch im Hans-Litten-Haus. Nicht ohne Grund. Litten war nicht nur als Anwalt der Arbeiter bekannt und hat sich hier stark engagiert, sondern wurde auch als Gegner des NS-Regimes bekannt. Seinen Einsatz kann man nicht genug loben.  Wenn ich den Blick dagegen regional schweifen lasse, haben mich berufsrechtlich natürlich die vielen Jahre im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm geprägt. Vorbild war da ganz klar Dr. Dieter Finzel, ehemaliger Präsident der Rechtsanwaltskammer Hamm.

 

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Rechtsanwältin oder ein guter Rechtsanwalt haben?

Drei Eigenschaften reichen meines Erachtens gar nicht. Es gibt so Vieles, was man als guter Anwalt bzw. gute Anwältin mitbringen sollte. Besonders wichtig finde ich persönlich vermutlich – gerade in der aktuellen Zeit – Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Engagement. Von Verschwiegenheit und Geradlinigkeit bzw. Bewusstsein für berufsrechtliche Pflichten spreche ich gar nicht erst, das setze ich per se voraus. Empathie ist wichtiger denn je, denn nur, wenn ich verstehe, was in einem Mandanten vorgeht, kann ich ihn gut vertreten. Wichtig ist auch, genau diese Empathie zu kommunizieren, denn nur dann fühlt sich mein Mandant verstanden. Und kommunizieren sollte ich ganz offen auch über Fragen wie Gebühren, Bearbeitungsdauer etc., denn das beugt Missverständnissen vor. Engagement ist ohnehin wichtig, und zwar auf sachlicher Ebene. Natürlich will mein Mandant, dass ich für ihn kämpfe. Das kann ich aber auch auf sachlich hohem Niveau. Ich bin kein Freund von inhaltslosen Angriffen und Schmähkritik. Die nützen dem Mandanten nicht und schaden zudem dem Ansehen der Anwaltschaft.

 

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

Jeder, der ein Grundinteresse an rechtlichen Themen hat, kann und sollte Jura studieren. Wer zudem den Wunsch in sich trägt, Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, ist im Anwaltsberuf richtig aufgehoben. Es gibt viele Möglichkeiten, anwaltlich tätig zu sein: Man kann selbständig, als angestellter Anwalt in einer Kanzlei oder als Syndikus tätig sein… eine Fülle von interessanten Optionen. Wer gern Dinge hinterfragt oder richtigstellt, der ist im Anwaltsleben – in welcher konkreten Ausprägung auch immer – richtig aufgehoben.

 

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?
Die bestehenden berufsrechtlichen Regelungen halte ich allesamt für notwendig. Unsere Core Values machen unseren Beruf aus und sind bedingungslos schützenswert. Verschwiegenheit, Sachlichkeit, Unabhängigkeit… das macht uns aus. Und genau das erwarten Mandanten von uns. Verzichtbar ist bei den Kernwerten nichts, aber auch gar nichts.

 

Worum geht es Ihnen bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in nächster Zeit?
Da stehen einige Themen an! Die zurückliegende Legislaturperiode hat gezeigt, dass die Digitalisierung und der Zugang zum Recht in der Fläche Kernthemen sein werden. Die BRAK wird sich an diesen Debatten aktiv beteiligen

 

Was war Ihr Beweggrund für dieses Ehrenamt?

Die ehrenamtliche Tätigkeit kam für mich ungeplant, allerdings auf Veranlassung meines berufsrechtlich sehr engagierten Altsozius. Ich habe aber sehr schnell gemerkt, wie wichtig das ehrenamtliche Engagement in und für die Selbstverwaltung für die Freiheit unseres Berufes ist. Schließlich ersetzt die Selbstverwaltung eine staatliche Aufsicht. Und: Wir engagieren uns für unseren eigenen Beruf. Es ist wirklich ehrenamtliche „Arbeit“. Aber sie macht Spaß. Vor allem, wenn man etwas bewirken kann.

 

Wieviel Zeit benötigen Sie für diese Aufgabe?

Wollen Sie das wirklich wissen? Sehr viel Zeit! Die gute Sache ist den Aufwand allerdings wert! Das belastet natürlich auch das Familienleben, weshalb ich insbesondere meiner Frau für ihr Verständnis und ihre Unterstützung danke.

 

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?
Das ist so pauschal schwer zu beantworten und hängt auch von den individuellen Gegebenheiten ab. Ich denke, wer mit vollem Einsatz Anwalt ist, wird oft vor die Herausforderung gestellt sein, eine vernünftige Work-Life-Balance hinzubekommen. Aber auch das ist mit guter Planung durchaus möglich.

 

Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Ich selbst bin da eher zurückhaltend. Das mag auch daran liegen, dass mir neben meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar und dann eben dem Ehrenamt schlicht etwas die Zeit fehlt. Ich finde allerdings die Vernetzungsmöglichkeiten über die sozialen Medien wirklich gut. Nicht ohne Grund hat die BRAK beispielsweise für ihren Podcast (R)ECHT INTERESSANT! auch einen eigenen Instagram-Account, den man dort unter „recht_interessant“ findet. Social Media sind eine gute Möglichkeit, um sich schnell und unkompliziert zu informieren.

 

Was macht Sie wütend?

Wut ist ja ein sehr starkes Wort. Ich bin selten wütend. Besorgt allerdings sehr. Wenn Sie Besorgnis mit Wut gleichsetzen möchten, dann macht mich die zunehmende Aushöhlung der anwaltlichen Kernwerte wütend. Die Verschwiegenheitspflicht im Mandat sollte unantastbar sein. Zunehmend gibt es jedoch Bestrebungen, beispielsweise bei Meldepflichten in Sachen Steuergestaltung, diese immer mehr zur Seite zu drängen. Was mich auch erbost, ist Deckmantelgesetzgebung, wie wir sie anlässlich von Corona-Themen mehrfach erlebt haben. Ich fange hier besser gar nicht an, mich auszulassen, sondern verweise auf die Stellungnahmen unserer AG zur Sicherung des Rechtsstaates, veröffentlicht unter www.brak.de.

 

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel versehen?

Schwierige Frage. Vielleicht: „Wie gute Gesetzgebung aussehen sollte – und wie sie wirklich ist“. Man müsste an sich mal näher beleuchten, wie in den vergangenen Jahren Gesetzgebungsverfahren abgelaufen sind und wie sie hätten ablaufen müssen. Eine Analyse, wie und auf welche Weise bei wichtigen Vorhaben Verbände mit welchen Fristen eingebunden wurden – oder eben nicht. Und inwieweit man auf die Rechtsanwender-Experten gehört hat – oder eben nicht.

Alternativ wäre natürlich auch ein Kochbuch zu Wildgerichten mit passender Weinbegleitung eine schöne Option.

 

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?

Wenn Sie von Veränderungen sprechen, spielen Sie sicher auf pandemiebedingte Veränderungen an. Da schätze ich sehr den Digitalisierungsfortschritt und die definitiv Corona-bedingte Flexibilität, Vorhaben anzugehen. Wir alle sind jetzt viel flexibler, was digitales Arbeiten und Konferenzen bzw. Besprechungen oder auch Home-Office angeht. Wir haben aufgerüstet und dazu gelernt. Diesen Fortschritt, den uns ein Stück weit die Pandemie aufgezwungen hat, kann uns niemand mehr nehmen. Und wir sollten das weiter ausbauen!

 

Mit wem würden Sie gerne einen Tag die Rolle tauschen?

Bob der Baumeister. Es ist so einfach: Können wir das schaffen? Jo! Wir schaffen das!

Und am Ende jeden Tages ist ein Baufortschritt zu erkennen.

 

Haben Männer es in ihrem Beruf leichter als Frauen?

Ganz einfach? Ja! Ich bedaure das sehr, aber es ist nach wie vor Fakt. In der Tat bekommen wir nach wie vor Feedback dazu, dass es männlichen Kollegen leichter fällt, beruflich Fuß zu fassen und Karriere zu machen. Wir haben uns diesem Thema vertieft in einer unserer Konferenzreihen gewidmet, die Corona-bedingt leider pausieren mussten. Im Rahmen der Konferenz „Böse Thesen zur Anwaltschaft“ hatten wir einen Beitrag genau zu diesem Thema. Laut dem damaligen Referenten gibt es inzwischen Kanzleien, die besonders gern Anwältinnen einstellen, da diese belastbarer, fleißiger und effektiver sein sollen. Ich zitiere das jetzt einfach mal. Wünschenswert wäre natürlich, dass eben diese Kolleginnen dann auch dieselbe Entlohnung erfahren, wie männliche Kollegen. Ich denke, hier hat sich einiges getan und es wird sich weiter vieles tun. Wir halten das ja regelmäßig in unserer STAR-Umfrage nach. Die BRAK selbst ist übrigens in der Geschäftsführung in Sachen Frauen gut aufgestellt.

Aber  um es mal klar zu sagen: Ob Anwältin oder Anwalt…. völlig irrelevant. Die Kompetenz zählt. Und die sollte auch gleich entlohnt werden!

 

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?

Meine Stärke ist einerseits – so glaube ich – Belastbarkeit und Flexibilität. Ich bin immer ansprechbar, sollte es nötig sein. Auch spät abends oder früh am Morgen. Und glauben Sie mir: Die Mitarbeiter der BRAK wissen das und nehmen das in Anspruch! Meine Schwächen? Das ist in der Selbstreflexion ja immer knifflig. Ich denke, ich kann schlecht loslassen. Wenn mich etwas beschäftigt, dann bleibe ich dran… auch auf Kosten meiner Freizeit. Ich will bei brisanten Themen immer auf dem Laufenden sein.

  

Ihr größter Flop?

Da gehen Sie aber jetzt ans Eingemachte! Wer spricht schon gerne über Flops! Aber die Politik ist ein Geben und Nehmen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode einiges erreicht, manches hätten wir uns anders gewünscht. Zum Beispiel beim Thema Sozietätsfähigkeit. Hier bleibt es trotz unserer Bedenken beim ursprünglichen Vorschlag der Rechtspolitik, so dass künftig Rechtsanwälte ihren Beruf mit allen freien – auch nichtverkammerten – Berufen nach § 1 Abs. 2 PartGG ausüben dürfen. Das ärgert mich. § 59a Abs. 1 BRAO war doch kein Selbstzweck, sondern diente dem Schutz des rechtsuchenden Bürgers. Der Schutz des Mandanten durch besondere anwaltliche Pflichten und Privilegien sollte nicht dadurch ausgehebelt werden, dass sich Dritte, die diesen Pflichten und Privilegien nicht unterliegen, mit Rechtsanwälten zusammenschließen. Die nun getroffene Regelung ist meines Erachtens nicht hinreichend durchdacht und trägt den Core Values der Anwaltschaft nicht ausreichend Rechnung.

 

Was lesen / hören / schauen Sie morgens als erstes?

Tageszeitung, ganz klar. Erstmal auf Stand bringen, was so passiert ist. Ansonsten natürlich freitags in unseren Podcast hören. Wir haben da eine bunte Mischung aus Rechtspolitik, Anwaltsalltag, Studium und Referendariat. Ich persönlich genieße es sehr, hörend neue Impulse geliefert zu bekommen.

 

Ihr liebstes Hobby?

Radfahren in Münster. Und auf die Gefahr, dass Ihre Leser jetzt lächeln: E-Bike-Fahren in Münster. Ja, wir haben keine Berge, aber es entspannt mich ungemein, nach Feierabend durch unsere schöne Stadt zu radeln… bzw. radeln zu lassen.

 

Welche berufliche Entscheidung würden Sie rückblickend anders treffen?

Keine. Jeder hat gute und schlechte Zeiten und Entscheidungen durchlebt. Beides macht uns zu dem, was wir sind. Alles hat mich dahin geführt, wo ich jetzt bin. Und da bin ich gerne.

 

Welcher Rat hat Ihnen auf Ihrem Berufsweg besonders geholfen?
Mit einem Schmunzeln kann ich sagen, der wertvollste Rat war: „Mach dich locker! Was passiert, das passiert. Mach das Beste draus“

 

Kammerton 09-2021