Die neue Schlichterin Uta Fölster antwortet

Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft hat seit Oktober 2022 eine neue Spitze: Uta Fölster ist seit dem 15.10.2022 neue Schlichterin. Fölster war von 1992 bis 1996 Pressesprecherin der Berliner Justiz und ging 1996 als persönliche Referentin von Jutta Limbach an das Bundesverfassungsgericht und baute dort die Pressestelle auf. Von 2008 bis 2021 war sie Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts und wurde im Dezember 2021 in den Ruhestand verabschiedet.

 

Schlichterin Uta Fölster

Warum sind Sie – vor Ihrer neuen Aufgabe als Schlichterin – Richterin geworden?

Weil ich es herausfordernd und spannend fand und finde, die – jedenfalls nach meiner Prüfung – juristisch „richtige“ Lösung zu finden, und in Vergleichsverhandlungen darüber hinaus gehende Aspekte, wie etwa Hintergründe der Streitigkeit, berücksichtigen zu können.

Diese meine Freude am „Entscheiden“ ist geprägt von Erfahrungen aus der Referendarzeit. Insbesondere eine erfahrene Amtsrichterin hat mich damals mit ihrer souveränen, gleichermaßen freundlichen wie souverän-bestimmten Verhandlungsführung beeindruckt. Das wollte ich auch machen.

Ihre Vorbilder in der Richterschaft?

Da gibt es, neben der bereits erwähnten Ausbilderin am Amtsgericht, einige – Frauen und auch Männer. Eines meiner großen Vorbilder ist Jutta Limbach, für die ich viele Jahre habe arbeiten dürfen. Sie war mit Blick auf ihre verschiedenen Funktionen als Politikerin und Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht in erster Linie meine Lehrmeisterin in Sachen „gute richterliche Verhandlungsführung“, wohl aber in Sachen Verständnisbereitschaft, Menschenfreundlichkeit und – wie sie selbst es einmal sinngemäß ausgedrückt hat – Bereitschaft, es für möglich zu halten, dass sich die Vernunft auch mal auf der anderen Seite befindet. Alles Eigenschaften, die eine Richterin, ein Richter (auch) haben sollte.

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Richterin oder ein guter Richter haben?

 Anschließend an die letzte Antwort: außer fundiert ausgebildet, sollten sie unverstellt freundlich, verständnisvoll und redegewandt (gemeint ist damit nicht das Beherrschen des „Juristendeutsch“!) sein.

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

Wer weniger Freude am „Urteilen“ hat, denn daran, mit gediegenen juristischen Argumenten anderen zu ihrem „guten Recht“ zu verhelfen, der sollte den Anwaltsberuf ergreifen.

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?

Ich war als Richterin und Präsidentin in Ausschnitten zwar auch mit solchen berufsrechtlichen Themen befasst, aber letztlich kann ich diese Frage mangels ausreichender Erkenntnisgrundlage nicht verlässlich  beantworten. Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen und auf etwas hinweisen, was mich schon immer gewundert hat: geht es um anwaltliche Verfehlungen, wirken im gerichtlichen Verfahren auch Richterinnen/Richter mit. Auf den Bänken der Richterdienstgerichte sucht man Anwältinnen und Anwälte hingegen vergebens. Ich fände es gut und hilfreich, bei der Prüfung richterlicher Verfehlungen auch die Stimme der Anwaltschaft zu hören.  

Worum geht es Ihnen bei Ihrer Tätigkeit als Schlichterin in nächster Zeit?

 Ich möchte die gute Arbeit der Schlichtungsstelle gern noch bekannter machen und auch noch stärker im Bewusstsein der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verankern. Kostenfrei und unverbindlich rechtlich qualifizierten Rat bei einer neutralen Stelle einholen zu können, wie ein Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant ohne weiteren nervenaufreibenden Aufwand interessengerecht beigelegt werden kann, ist ein Angebot, das man vernünftigerweise nicht ausschlagen sollte.

Und nach dem, was ich bisher an Schlichtungsvorschlägen gelesen habe, dürften bisweilen auch  Anwälte von den rechtlichen Begründungsausführungen profitieren – und sei es auch im Falle der Ablehnung eines Vorschlags nur für die Zukunft.

Was war Ihr Beweggrund für diese neue Aufgabe?

Zum einen habe ich in meiner aktiven Berufszeit viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte  schätzen gelernt, weil sie kenntnisreich und überzeugend argumentierend zu qualitätsvoller Rechtsprechung beigetragen haben.

Zum anderen halte ich, wie bereits gesagt, viel von einverständlicher Streitschlichtung. Ganz im Sinne Kurt Tucholskys: „Streitende sollten wissen, dass nie einer ganz recht hat und der andere ganz unrecht.“

Für eine auf eigene Initiative der Rechtsanwaltschaft initiierte unabhängige Schlichtungsstelle mit zu arbeiten, motiviert mich.

Wieviel Zeit benötigen Sie als Schlichterin?

Das fragen Sie mich doch bitte etwas später. Noch bin ich in der Einarbeitungsphase und brauche mehr Zeit, den  Aufwand  wirklich einschätzen zu können.

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?

Ich befürchte, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und in der Justiz tätige Juristinnen und Juristen leiden häufig gleichermaßen unter einer Arbeitslast, die eine sorgfältige, auch den eigenen Ansprüchen an Qualität genügende Fallbearbeitung nicht immer erlaubt. Zu starker Termindruck ist guten Arbeitsergebnissen einfach nicht zuträglich.

Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Nein.

Was macht Sie wütend?

Dauerndes Nörgeln von Menschen, denen es vergleichsweise gut geht.

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel versehen?

Unserem Rechtsstaat. Titel: Der unterschätzte Rechtsstaat

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?

Ehrlich gesagt fallen mir zu der Frage, was ich schätze, zunächst nicht Veränderungen ein. Die Sehnsucht nach solchen Entwicklungen gehört nicht unbedingt zu meiner biologischen Grundausstattung.

Aber ich bin mittlerweile ziemlich erwachsen und weiß natürlich, dass tatsächlich nichts so beständig ist wie der Wandel. Und neue Herausforderungen zu meistern, gerade die oktroyierten, das ist ja ein durchaus angenehmes Gefühl und erlaubt wohlwollendes Klopfen auf die eigene Schulter. Gegenwärtig ist mir in diesem Zusammenhang die pandemiebedingte Notwendigkeit, gerichtliche Verhandlungen digital zu führen. Freiwillig hätte ich diese gesetzlich schon lange zugelassene Möglichkeit in meinen letzten Berufsjahren gewiss nicht genutzt. Aber notgedrungen habe ich es gelernt, weiß jetzt um die Vorteile und bin froh, mich nicht selbst aus der digitalen Welt katapultiert zu haben. 

Mit wem würden Sie gerne einen Tag die Rolle tauschen?

 Ich wäre gern einen Tag Jutta Limbach gewesen – einfach um zu erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man so klug ist.

Haben Männer es in Ihrem Beruf leichter als Frauen?

Als langjährige Pressesprecherin kenne ich die Behauptung, dass man auf jede Frage eine knappe Antwort geben kann (und muss). Aber bei dieser passe ich – ich bräuchte ein paar Seiten, um zu erklären, weshalb Frauen in richterlichen Beförderungsämtern immer noch unterrepräsentiert sind. Dabei geht es nicht allein um geschlechtsspezifische „Hürden“, die sich Männern eher selten in den Weg stellen, sondern auch um weiblichen Kleinmut und mangelnden Ehrgeiz. 

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?

Ich bin eine Frohnatur (das ist gewiss nicht mein eigenes Verdienst), nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, und kann gut zuhören, weil ich gern dazu lerne.

Andererseits rede ich bisweilen drauf los, ohne ausreichend nachgedacht zu haben, und manchmal verletze ich unbeabsichtigt andere, weil ich meinen Hang zu Ironie nicht immer ausreichend zügeln kann.

Ihr größter Flop?

Den würde ich im Privaten verorten und verrate ihn nicht.

Was lesen / hören / schauen Sie morgens als erstes?

 Hören: Deutschlandfunk. Lesen: unsere Regionalzeitung – immer noch die analoge Ausgabe.

Ihr liebstes Hobby?

Nichts tun. Das ist für mich, die ich ziemlich preußisch erzogen worden bin, gar nicht so einfach, aber gut für das eigene Wohlbefinden.

Welche berufliche Entscheidung würden Sie rückblickend anders treffen?

Keine.

Welcher Rat hat Ihnen auf Ihrem Berufsweg besonders geholfen?

Bange machen gilt nicht.

Kammerton 12-2022