RA Peter Kremer, Mitgründer von Lawyers for Future, antwortet

Rechtsanwalt Peter Kremer

Rechtsanwalt Peter Kremer arbeitet seit seiner Anwaltszulassung 1996 im Umwelt- und Planungsrecht und vertritt vorwiegend Umweltverbände und Bürgerinitiativen. Einer seiner Schwerpunkte ist der Kampf gegen die fossile Energienutzung, etwa in Genehmigungsverfahren gegen Kohlekraftwerke oder mit der Berliner Dieselklage. Er ist u.a. Mitgründer der Lawyers for Future und engagiert sich in deren Beirat für den Klimaschutz.

 

Warum sind Sie Rechtsanwalt geworden?

Ich hatte ein Vorbild aus meinem Freundeskreis, ein Jurist, der auch politisch aktiv war. Und dachte mir: Der bewegt was, das willst du auch.

 

Ihre Vorbilder in der Anwaltschaft?

Konkret kann ich da niemanden benennen. Ich orientiere mich an Kolleg:innen, die Streitigkeiten sachlich ausfechten (was impliziert, dass ich die andere Kategorie ziemlich furchtbar finde)

 

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Rechtsanwältin oder ein guter Rechtsanwalt haben?

Lust an der Detailrecherche, also an dem Sichreinknien, um in der Akte irgendwo auf der vergilbten Rückseite das entscheidende Komma zu finden. Eine klare Kante bei der Entscheidung, welche Inhalte man vertritt – und vor allem: welche nicht. Und die Fähigkeit, die Fälle im Büro zu lassen und nicht mit nach Hause zu tragen (das ist im Homeoffice eine Herausforderung).

 

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

Menschen, die damit ein echtes Ziel verbinden und niemandem, die/der das macht, weil ihr/ihm nichts Besseres einfällt. Allerdings sollte der Anwaltsberuf auch Menschen offenstehen, die nicht 50 Stunden oder mehr im Büro sein wollen.

 

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?

Die anwaltliche Unabhängigkeit wird manchmal missverstanden. Gerade in Bezug auf die Lawyers for Future bedeutet anwaltliche Unabhängigkeit nicht, dass sich Anwält:innen nicht für Anliegen des Umwelt- und Klimaschutzes einsetzen dürfen. Auf Twitter wurde dies bereits zum Thema gemacht.

 

Worum geht es Ihnen bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in nächster Zeit?

Unter den Jurist:innen gibt es viele, die den Klimaschutz ernst nehmen. Die anderen würde ich gerne mit davon überzeugen, dass das Thema nicht verhandelbar ist und dass es eine Interessenvertretung gegen den Klimaschutz (und damit zum Beispiel für Kohlekraftwerke oder den Verbrennungsmotor) nicht geben darf. Als Lawyers for Future wollen wir vor allem die Fridays for Future unterstützen, da könne gerne noch weitere Kolleg:innen mitmachen, gefragt sind alle Fachrichtungen.

 

Was war Ihr Beweggrund für dieses Ehrenamt?

Auch wenn das nicht sehr originell ist: Die Zukunft meiner Kinder. Und die derjenigen Menschen, die unseren Lebensstil ausbaden müssen (verzeihen Sie die unpassende Metapher).

 

Wieviel Zeit benötigen Sie für diese Aufgabe?

Anfangs waren das einige Stunden pro Woche. Jetzt gibt es einen sehr aktiven Vereinsvorstand der Lawyers for Future, ich bin beratend im Beirat.

 

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?

Für „die Anwaltschaft“ kann ich das nicht sagen. Ich hätte gerne einen halben Tag pro Woche, um Themen systematisch aufzuarbeiten. Das klappt seit 20 Jahren nicht.

 

Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Wenn Sie Facebook usw. meinen: Nein, ich habe schon genug Bildschirmzeit durch die tägliche Mandatsarbeit. Lawyers for Future ist aber seit Kurzem auf Twitter aktiv.

 

Was macht Sie wütend?

Wenn in Schriftsätzen mit verdrehten Tatsachen Stimmung gemacht wird (was zum Glück aber sehr selten passiert).

 

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel versehen?

Jurist:innen im Weltraum – es gibt meines Wissens bisher keine Science Fiction, in der unser Berufsstand die ihm zukommende tragende Rolle spielt.

 

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?

Das beA (hätte ich anfangs nicht gedacht). Die Zeiten, in denen der 200-Seiten-Schriftsatz vor Mitternacht beim Gericht sein muss und sich um zehn vor zwölf das Papier im Faxgerät verkantet, sind zum Glück vorbei.

 

Mit wem würden Sie gerne einen Tag die Rolle tauschen?

Ehrliche Antwort? Ich würde gerne einmal in meinem Leben in einem vollen Stadion – in zweiter Reihe auf der Bühne an einem Keyboard – ein (einziges) ordentlich lautes Musikstück darbieten.

 

Haben Männer es in ihrem Beruf leichter als Frauen?

Sehr sicher. Besonders in den Traditionsberufen spielen patriarchale Strukturen eine Rolle. Der Anteil von Frauen an den Bundesgerichten beträgt gerade mal ein Drittel, das spricht für sich.

 

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?

Auf den Beruf bezogen: Ich arbeite ungern wissenschaftlich-theoretisch, ich brauche immer eine reale Auswirkung als Motivation. Umgekehrt liegt mir die Sachverhaltsermittlung gerade im ökologischen Bereich am Herzen, da verbeiße ich mich gerne mal in außerjuristische Fragen (ich konnte mal einen Wachtelkönig nachmachen).

 

Ihr größter Flop?

Dass die Waldschlößchenbrücke in Dresden genutzt wird, obwohl wir (zusammen mit Prof. Gellermann) gewonnen haben. Die vom EuGH  und vom BVerwG festgestellten Mängel des Planfeststellungsbeschlusses wurden übrigens bis heute nicht behoben und auch keine erkennbaren Anstrengungen unternommen, um den höchstrichterlichen Erkenntnissen Respekt zu erweisen.

 

Was lesen / hören / schauen Sie morgens als erstes?

Will ich gar nicht sagen (es sind meine Mails).

 

Ihr liebstes Hobby?

Jetzt im Sommer Sport.

 

Welche berufliche Entscheidung würden Sie rückblickend anders treffen?

In der Juristerei war nichts gravierend falsch. Ich weiß aber nicht, ob ich nochmal Anwalt werden würde.

 

Welcher Rat hat Ihnen auf Ihrem Berufsweg besonders geholfen?

Der Ratschlag, die Rechtskenntnis mit einem Blick ins Gesetz zu fördern (es passiert mir bis heute, dass ich Stunden nach etwas suche und es dann in Absatz 2 finde).

Kammerton 06-2021