Noch 157 Tage bis zur aktiven beA-Nutzungspflicht

Rechtsanwalt André Feske

Fragen an Präsidiumsmitglied André Feske

 

Kammerton:

In etwas mehr als einem halben Jahr, am 1. Januar 2022, wird die aktive Nutzung des beA zur Pflicht. Die Sonderauswertung zur STAR-Untersuchung 2020 zeigt, dass ein Drittel der befragten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten das beA für nicht anwenderfreundlich hält. Die BRAK will reagieren. Was müsste verbessert werden?

 

Rechtsanwalt André Feske:

Tatsächlich besteht dringender Handlungsbedarf.

Zunächst für alle beA-Nutzer, die mit dem Versenden von Nachrichten noch nicht vertraut sind. Beim Erscheinen dieses Kammertons sind es bis zum „Stichtag“ nur noch 157 Arbeitstage. Das ist nicht viel, wenn die Büroabläufe noch nicht auf den ausschließlich elektronischen Versand von Gerichtspost umgestellt und sicher eingeübt worden sind. Die bevorstehende Urlaubszeit verkürzt den Handlungsspielraum zusätzlich. Welche Schwierigkeiten auftreten können, zeigt ein vom Arbeitsgericht Lübeck (Urteil vom 01.10.2020  -1 Ca 572/20 –, NZA-RR 2021, S.89-96) entschiedener Fall ganz eindringlich. Pflichtlektüre!

Auch die BRAK, als der für die Erreichbarkeit und Weiterentwicklung des beA verantwortlichen Anbieterin, wird bis zum 01.01.2022 noch nachlegen müssen. Ein erster Schritt ist zwar gemacht mit der im März 2021 von der BRAK online durchgeführten Umfrage (vgl. die Auswertung v. von Seltmann, in: BRAK-Mitt. 2/2021, S. 70 ff.). Wegen der offenbar nur sehr geringen Beteiligung der Anwender erwarte ich davon aber nur wenig tragfähige Erkenntnisse für einen Betrieb des beA „unter Volllast“. Diese Chance, auf die zeitnahe Weiterentwicklung des beA unmittelbar Einfluss zu nehmen, haben die Anwender (wir!) leider vertan.

Repräsentativ scheint aber der Wunsch vieler Umfrageteilnehmer (33,1% von 1.112) zu sein, das beA möge eine höhere Anwenderfreundlichkeit und mehr Bedienungskomfort bieten. Für beA-Vielnutzer und versierte Windowsanwender ist das wenig überraschend. In der Vergangenheit sind – technisch mögliche – Verbesserungen der so gewünschten „Usability“ leider nur schleppend umgesetzt worden. Die Möglichkeit in der beA-„Nachrichtenübersicht“ eine Nachricht per doppeltem Mausklick direkt öffnen zu können (ein Windowsstandard) oder bei der Auswahl eines neuen Nachrichtenadressaten nicht erst die Ansicht händisch von „Favoriten“ auf „Alle“ umschalten zu müssen, waren (leidige) Beispiele dafür. Kurzum: Die Reaktionszeiten auf – oft angefragte, sinnvolle und technisch mögliche – Änderungswünsche der Nutzer waren in der Vergangenheit eindeutig zu lang. Das muss zeitnah verbessert werden. Abhilfe könnte z. B. ein – professionell moderiertes – Onlineforum für beA-Anwender schaffen. Solche haben sich als Plattform für den Informationsaustausch mit den Nutzern für andere Standardsoftware längst bewährt.

Ein dringendes Anliegen vieler beA-Nutzer sollte die BRAK sofort angehen: Bisher fehlt die Möglichkeit, von Gerichten angeforderte elektronische Empfangsbekenntnisse (eEB) auch über die Web-Anwendung der BRAK in einem Zug („gesammelt“) zu bearbeiten wie in der analogen Welt. Es gibt in der beA-Webanwendung keine Funktion einer „digitalen Unterschriftenmappe“, in der alle unbearbeiteten eEB auf einmal angesehen und signiert werden könnten. Bisher muss auf der Web-Oberfläche des beA für den Vollzug eines eEB die jeweilige Nachricht des Gerichts durch den Postfachinhaber selbst einzeln geöffnet werden, um das eEB zu bearbeiten und abzusenden. Das ist umständlich und zeitraubend. Postfachinhabern mit einer beA-Signaturkarte sollte es möglich gemacht werden, auch mit der Web-Anwendung durch Anbringen einer Stapelsignatur alle angeforderten eEB auf einmal abzuzeichnen und diese dann ggf. auch durch Dritte (Büropersonal) absenden zu lassen.

 

Funktioniert inzwischen die Einbindung des beA in die Kanzleisoftware?

Diese Frage kann weder mit „JA“ noch mit „NEIN“ beantwortet werden. Es gibt schon nicht „DIE“ eine Kanzleisoftware.

Eine andere Frage zu beantworten scheint mir außerdem noch viel wichtiger:
Welchen Stellenwert hat die von der BRAK zur Verfügung gestellte Schnittstelle für die Nutzung des beA durch die Postfachinhaber?

Nach der letzten Erhebung der BRAK (von Seltmann, a.a.O. zu III.) nutzen von den befragten Postfachinhabern lediglich 15,7 % das beA ausschließlich über eine Kanzleisoftware. Weitere 16,1 % greifen über eine Kanzleisoftware (und damit über die Schnittstelle) und (direkt) über die Webanwendung auf ihr Postfach zu. Der weit überwiegende Teil der befragten Nutzer (75,1 %) erledigt den Zugriff aber ausschließlich über die Web-Anwendung.

Die BRAK muss gerade diese Nutzung des beA weiterhin ermöglichen und jedem Postfachinhaber jederzeit den vollen Funktionsumfang des beA auch über die Web-Anwendung („Web-Frontend“) zur Verfügung stellen. Ganz unabhängig von Umfrageergebnissen und unabhängig von deren jeweiliger Repräsentativität.

Mit der Einführung der Berufspflicht zur passiven Nutzung des beA am 01.01.2018, der – nur durch Benutzung des beA zu erfüllenden – Pflicht, ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) ordnungsgemäß i. S. d. § 174 III S.3, IV S. 3 -5 ZPO zu vollziehen und zurückzusenden und der nun bundesweit bevorstehenden „aktiven Benutzungspflicht“ ist die Berufsausübungsfreiheit der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eingeschränkt worden. Diese von den angerufenen Gerichten unter verschiedenen Gesichtspunkten geprüfte (zuletzt: BGH, Urteil vom 22. 03. 2021 – AnwZ (Brfg) 2/20 – ) und gebilligte Beschränkung der anwaltlichen Berufsausübungsfreiheit deckt keine Beschränkung der Zugriffsart auf das eigene beA-Postfach. Die BRAK muss den Verpflichteten deshalb einen unmittelbaren Zugang zum eigenen beA-Postfach ermöglichen, ganz ohne die Benutzung weiterer Software (z.B.: „Kanzleisoftware“).

Die Einbindung eines vollwertigen beA-Zugriffs in bei Anwendern vorhandene Kanzleisoftware ist für diese ganz sicher wünschenswert. Trotzdem ist die Umsetzung bei den einzelnen Produkten aktuell immer noch sehr unterschiedlich. Von einer (angeblichen) „Vollintegration“ des beA in den Arbeitsfluss der Kanzleisoftware bis zum völligen Verzicht einiger Anbieter auf die Nutzung der – von der BRAK – zur Verfügung gestellten, vorgegebenen Schnittstelle („KSW“) ist alles zu finden. Das muss, in einem heiß umkämpften Markt wie dem für Kanzleisoftware, gute Gründe haben.

Ich halte es für eine Aufgabe der BRAK, zur Weiterentwicklung des beA die Zusammenarbeit mit der Softwareindustrie zu verbessern und auf die Anbieter zuzugehen.

 

Wo finden Kammermitglieder, die noch wenig Erfahrung haben, das beA aber nun öfter nutzen wollen, Unterstützung?

Ein schneller Ratgeber für häufig auftretende Fragen ist z. B. der Newsletter der BRAK zum beA. Dieser kann, muss aber nicht, abonniert werden. Die BRAK hat eine eigene Webseite eingerichtet, auf der sich die jeweils aktuelle und alle seit dem 07.12.2016 bereits erschienenen Ausgaben online einsehen lassen. Die einzelnen Ausgaben können leider nicht mehr als PDF gespeichert werden.

Das Auffinden einzelner Beiträge in den zurückliegenden Ausgaben erleichtert der alphabetisch nach Schlagworten geordnete Index zum beA-Newsletter, der auf den jeweiligen Artikel verlinkt.

 

Wann bietet die Rechtsanwaltskammer Berlin wieder Fortbildungsveranstaltungen an?

Schon im Juni! Neu: als Onlineseminare.

Am 16. Juni 2021 (15.30 bis 18.45 Uhr) als „BASIS“-Seminar, am 18. Juni 2021 (15.30 bis 18.45 Uhr) als „AUFBAU“-Seminar. Für diese beiden Termine sind noch Plätze frei. Einfach online buchen auf der Webseite der RAK Berlin.

Referent wird Rechtsanwalt Dr. Alexander Siegmund aus München sein, eine Kurzusammenfassung zum Inhalt der Seminare ist auf der Webseite der RAK Berlin einsehbar. Mehr als ein Computer mit Internetbrowser wird für die Teilnahme nicht benötigt, keine Kamera und kein Mikrofon.

Die RAK Berlin wird bei entsprechender Nachfrage der Kammermitglieder auch wieder Seminare im bekannten Präsenzformat in den Räumen der Geschäftsstelle in der Littenstraße anbieten. Dies ist wegen der Coronapandemie seit Anfang 2020 bis jetzt leider nicht mehr möglich gewesen.

Im Herbst, d.h. am 21.10.2021, bietet das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI)  in Kooperation mit der RAK Berlin die Präsenzveranstaltung an unter dem Titel „beA: So geht’s – Alles, was Sie über Ihr Postfach wissen müssen“ mit RA Frank Klein und RAuN Andreas Kühnelt. Zum Programm und zur Buchung

 

Einige Kammermitglieder berichten, dass sie die ihnen per beA gewährte Akteneinsicht nicht durchführen konnten. Die pdf-Dateien seien nur mit einem bestimmten Tool lesbar gewesen, das Ihnen nicht zur Verfügung stand. Wird es hier Änderungen geben?

Die RAK Berlin setzt sich aktiv dafür ein. Tatsächlich ist das kein Einzelfall, sondern ein zunehmend auftretendes Problem. Nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen, die kein „Windows“-Betriebssystem benutzen, sondern aus guten Gründen etwa ein „Linux“.

In den beanstandeten Fällen besteht die zur Einsicht übersandte „Akte“ aus vielen unsortierten Einzeldokumenten, die nur mit Hilfe eines besonderen „Viewers“ in geordneter Form betrachtet werden können. Dieses Hilfsprogramm ist nur unter Windows ausführbar. Zudem wird der „Viewer“ nicht an das Anwaltsbüro mit versandt. Die betreffenden Kolleginnen und Kollegen sollen sich das Hilfsprogramm vielmehr bei einem Drittanbieter selbst beschaffen und installieren. Das ist ebenso unzumutbar wie die „händische“ Sortierung vieler – teilweise hunderter – Einzeldokumente, aus denen die zur Einsicht übersandte Akte insgesamt bestehen soll.

Ob in dieser Form von Gerichten und Verwaltungsbehörden überhaupt die verlangte „Akteneinsicht“ gewährt wird, ist auch rechtlich zweifelhaft. Der Empfänger kann die Integrität der ihm so übersandten „Akte“ nicht prüfen. Justiz und Verwaltungsbehörden müssen auch bei elektronischer Übersendung in der Lage sein, die notwendige Form zu wahren. Auch hier gilt mindestens:

„Akten sind geordnete Zusammenstellungen von Schriftgut zu einem Sachverhalt mit eigenem Aktenzeichen. Sie können in Papierform oder in elektronischer Form vorliegen.“

In diesen Fällen setzt sich das „Tauziehen“ um die für den ERV verbindlichen Standards fort, das Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte seit der Einführung des beA im Oktober 2016 schon kennen.

Mindestens für die Berliner Behörden und Gerichte ist eine einheitliche Lösung zu fordern und sicher auch technisch möglich. Die Absender könnten etwa die per „Viewer“ aus ihren Akten exportierten Dateien selbst zu einer einheitlichen (einzigen) PDF-Datei zusammenfügen und für die „Richtigkeit und Vollständigkeit“ dieser Datei mit der Signatur einer verantwortlichen Person einstehen. Diese wäre dem Empfänger der Sendung zur Prüfung mit zu übersenden.

 

Der BGH hat darüber entschieden, dass bei gestörtem Fax keine grundsätzliche Pflicht zur Nutzung des beA besteht; das Arbeitsgericht Lübeck hat die Anforderungen an die Ersatzeinreichung bei Störung des beA beschrieben. Was bedeutet dies für die Kammermitglieder?

Der BGH-Fall (Beschluss vom 17.12.2020  – III ZB 31/20 –) betrifft einen Zivilprozess aus Mecklenburg-Vorpommern. Kernfrage: muss ein Rechtsanwalt auch das beA benutzen, obwohl (noch) keine „aktive Benutzungspflicht“ besteht, wenn er bemerkt, dass sein Schriftsatz wegen einer Störung des Telefaxgeräts des Gerichts nicht „durchgeht“? Der BGH hat das verneint und Wiedereinsetzung für die versäumte Berufungsbegründungsfrist gewährt. Ein der Partei zurechenbares Verschulden des Anwalts hat der BGH verneint, weil dieser im Versand von beA-Nachrichten (noch) „ungeübt“ gewesen und ihm die „aktive“ Benutzung des beA deshalb jedenfalls so kurzfristig nicht zumutbar gewesen sei (Rz 18 – 20, 27 ff.)

Damit ist zwar der vom BGH kurz ausgeführte (Rz. 21,22) bisherige Meinungsstreit geklärt. Für die Zukunft haben beA-Anwender damit aber nicht viel gewonnen: Schon in 157 Arbeitstagen gilt bundesweit die aktive Nutzungspflicht. Die eigene „Unwissenheit“ von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten führt dann nicht mehr zur Exkulpation.

Der Fall des Arbeitsgerichts Lübeck (Urteil vom 01.10.2020 – 1 Ca 572/20 –, bei juris und NZA-RR 2021, 89-96) liegt ganz anders und zeigt, was im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) nach geltendem Recht alles schiefgehen kann.

Für die Arbeitsgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein gilt die aktive Nutzungspflicht kraft Rechtsverordnung des Landes (GVBL S-H vom 23.12.2019, S. 782) schon seit dem 01.01.2020. Der Rechtsanwalt des Klägers wusste das und reichte eine Kündigungsschutzklage am 17.03.2020 elektronisch per beA ein. Versand und Empfang über beA-Postfächer waren an diesem Tag aber zeitweise gestört. Der Kollege bemerkte das und wurde sofort aktiv, um die Ausschlussfrist des § 4 KSchG trotzdem zu wahren: Versand der Klageschrift noch am 17.03.2020 als Telefax und per Post. Am 18.03.2020 erneuter beA-Versand, aber als Word-Dokument. Erneuter Versand am 27.03. und 31.03.2020 insgesamt dreimal, jeweils als PDF und per beA. Die Ausschlussfrist gem. § 4 KSchG verstrich am 18.03.2020 dennoch. Erst die zuletzt eingereichte, am 01.04.2020 beim Arbeitsgericht, eingegangene Klage war formgerecht erhoben. Alle zuvor übermittelten Schriftsätze genügten dem nicht.

Die Einreichung per Telefax am 17.03.2020 hätte als wirksame „Ersatzeinreichung“ genügen können, wenn der Kollege die Anforderungen des § 46g ArbGG (1) beachtet und den zeitweisen Ausfall des beA an diesem Tag noch rechtzeitig – unverzüglich – glaubhaft gemacht hätte. Die Besonderheit des Falls: Bundesweit tritt § 46g ArbGG erst zum 01.01.2022 in Kraft. In Schleswig-Holstein gilt die Vorschrift durch Bezugnahme in der Rechtsverordnung des Landes zur Einführung des ERV (s.o.) aber schon seit dem 01.01.2020. Hätten Sie es gewusst?

Die per beA am 18.03., 27.03. und 31.03.2020 eingereichten Klageschriften des Kollegen entsprachen nicht den, gem. § 46 c II ArbGG zu beachtenden, Anforderungen der ERVV für elektronische Dokumente. Das hatte der Kollege übersehen:
Ein Worddokument (18.03.2020) gilt per se nicht als „für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet“. § 2 I S. 1 ERVV lässt für elektronische Dokumente ausschließlich das PDF-Format zu. Diese dürfen zudem keine „fremden“ Schriftarten enthalten, die beim Öffnen durch den Empfänger erst „nachgeladen“ werden müssen. PDF-Dokumente im ERV dürfen nur „eingebettete“ Schriftarten enthalten, mit denen das Dokument ohne „Nachladen“ dargestellt werden kann. Das regelt § 5 ERVV i. V. m. der ERVB (Bekanntmachung des BMJV zu § 5 ERVV, aktuell: ERVB 2021 vom 21.12.2020, veröffentlicht im BAnz AT 30.12.2020 B5 vom 30.12.2020). Die weiter geltende ERVB 2019 vom 20.12.2018 bestimmt in Nr. 1 u.a.:

„Hinsichtlich der zulässigen Dateiversionen PDF …. müssen alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte (insbesondere Grafiken und Schriftarten) in der Datei enthalten sein. Ein Nachladen von Datenströmen aus externen Quellen ist nicht zulässig. Der Dokumenteninhalt muss orts- und systemunabhängig darstellbar sein. … Die Datei darf kein eingebundenes Objekt enthalten, dessen Darstellung ein externes Anwendungsprogramm oder eine weitere Instanz des PDF-Darstellungsprogramms erfordern würde. Zulässig ist das Einbinden von Inline-Signaturen und Transfervermerken. … Zulässig sind Hyperlinks, auch wenn sie auf externe Ziele verweisen.“

Hätten Sie es gewusst?

Das Beispiel zeigt deutlich, dass der Elektronische Rechtsverkehr besondere Anforderungen nicht nur an alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sondern auch an deren Mitarbeitende stellt. Zeitnahe Schulungen für alle, noch vor dem 01.01.2022, und danach regelmäßige Überprüfungen auf mögliche Änderungen der den ERV betreffenden Rechtslage gehören darum ab sofort zum Pflichtenprogramm in jedem forensisch tätigen Anwaltsbüro.

Die Rechtsanwaltskammer Berlin hat Anfang 2021 die Kammermitglieder angeschrieben, die sich trotz der seit Anfang 2018 bestehenden passiven Nutzungspflicht noch nicht für das beA registriert haben. Womit muss rechnen, wer die Registrierung auch in der Zwischenzeit noch nicht vorgenommen hat?

Alle „Schonfristen“ sind endgültig abgelaufen. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin muss im Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben auch den Beschwerden nachgehen, die eine mangelnde Erreichbarkeit von Kolleginnen und Kollegen per beA-Postfach zum Gegenstand haben. Das Sozialgericht war Vorreiter. Auch andere Berliner Gerichte machen zunehmend Gebrauch von der Möglichkeit, den Postversand an Prozessbevollmächtigte der Parteien in elektronischer Form an das jeweilige beA-Postfach zu erledigen. Neben prozessualen Nachteilen für die eigene Partei und damit verbundenen eigenen Haftungsrisiken drohen den immer noch nicht empfangsbereiten Kolleginnen und Kollegen dadurch zunehmend auch berufsrechtliche Beschwerden durch die Gerichte, auch wegen nicht vollzogener Empfangsbekenntnisse.

Verstöße gegen die Berufspflicht zur „passiven“ Benutzung des beA-Postfachs werden vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin in der Regel mit einer Rüge, § 74 BRAO, geahndet werden müssen. Auch eine Ahndung durch das Anwaltsgericht, insbesondere die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße, § 114 BRAO, ist aber möglich.

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(1)

§ 46g ArbGG

Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen

1Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. 2 Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Absatz 4 Nummer 2 zur Verfügung steht. 3 Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. 4 Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Kammerton 06-2021