RAK Berlin nominiert weißrussischen Kollegen Znak für den Menschenrechtsrechtspreis des IDHAE

Foto von links nach rechts: Anton Rodnenkow, Iwan Krawzow (beide Mitglieder des Babariko-Teams), Rechtsanwalt Maksim Znak (in Haft seit 09.09.2020), Maria Kalesnikowa, Oppositionspolitikerin im Präsidentschaftswahlkampf (in Haft seit 08.09.2020), Rechtsanwalt Ilja Salei (in Haft seit 09.09.2020, seit Oktober unter Hausarrest). Das Foto zeigt sie vor dem Obersten Gericht in Minsk mit Antragsunterlagen zum Nachweis des Wahlbetrugs.

Von Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter Bilinç Isparta

Das Institut für Menschenrechte der europäischen Rechtsanwälte  (l’Institut des droits de l’Homme des Avocats européens – IDHAE) vergibt seit 1984 gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Berlin, dem Institut für Menschenrechte der Rechtsanwaltskammer Bordeaux, dem Institut für Fortbildung in Menschenrechten der Rechtsanwaltskammer Paris, dem Institut für Menschenrechte der Rechtsanwaltskammer Brüssel, der Unione forense per tutela dei diritti dell’uomo (Rom), den Rechtsanwaltskammern Luxemburg, Genf, Amsterdam sowie der Union Internationale des Avocats (UIA) alljährlich den Ludvic-Trarieux-Menschenrechtspreis. Der Ludovic Trarieux Menschenrechtspreis wurde erstmals 1984 an Nelson Mandela vergeben, Mit ihm wird das besondere und herausregende Engagement von Kolleg:innen für die Umsetzung, Beachtung und Einhaltung der Menschrechte honoriert.

Für den Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreis 2021 hat die Rechtsanwaltskammer Berlin den weißrussischen Kollegen Maksim Znak nominiert. Mit den folgenden Zeilen wollen wir einen Überblick zu Maksim Znak und seinen Einsatz geben.

Bereits während des weißrussischen Wahlkampfes 2020 unterstützte Maksim Znak die Oppositionspolitiker Viktor Babariko, Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa als rechtlicher Beistand und erhob mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das Wahlergebnis und die Auszählung, da es mehrere Hinweise und Belege für Wahlmanipulation zugunsten des aktuellen Präsidenten Lukaschenko gegeben hat. Unter anderem vertrat Maksim Znak auch Viktor Babariko, einen aussichtsreichen Kandidaten für das Präsidentenamt, nachdem dieser von der Kandidatur zur Präsidentschaftswahl unter fragwürdigen Gründen im Juli 2020 ausgeschlossen worden war.

Nachdem Svetlana Thikhanovskaya Vorwürfe gegen Amtsinhaber Lukaschenko wegen Wahlbetruges erhoben hatte, reichte Maksim Snak im August 2020 Klage beim Obersten Gericht ein und vertrat u.a. auch die Oppositionspolitikerin Maria Kalesnikova als Anwalt.

Die Bilder der weißrussischen Zivilbevölkerung, die gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen trotz staatlicher Verbote, Repressalien und zunehmender Gewalt demonstrierten, sind um die Welt gegangen. Die Reaktionen des Staates beschränkten sich nicht nur auf Verbote, gewaltsame Übergriffe auf Demonstranten, sondern bezogen die Justiz nach und nach mit ein. Teilnehmer der Demonstrationen, Redner und Organisatoren wurden zu Aufwieglern erklärt, die den gewaltsamen Umsturz planten.  Inhaftierten wurde der Zugang zu Rechtsanwält:innen verwehrt, ihr Aufenthalt blieb unbekannt und auch Rechtsanwält:innen wurden daran gehindert Kontakt zu ihren Mandant:innen aufzunehmen. Nicht selten sahen sich Rechtsanwält:innen mit dem gegen ihre Mandanten erhobenen gleichlautenden Vorwurf der Aufwiegelung und Unterstützung von terroristischen Vereinigungen konfrontiert, allein, weil sie Oppositionspolitiker:innen und/oder Demonstrant:innen mit der Verteidigung ihrer verfassungsmäßigen Rechte auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit vertraten. Der Kollege Maksim Znak hat sich von dem Klima der Angst und der Bedrohung nicht abhalten lassen, wiederholt Verfassungsbeschwerden für seine Mandanten zu erheben und die gesetzes- und verfassungswidrigen Methoden anzuprangern.

Maxim Znak war selbst Mitglied des Präsidiums des Koordinierungsrates, das sich zum Ziel gesetzt hatte, einen Dialog zwischen der belarussischen Opposition und der aktuellen Regierung herzustellen und so zwischen dem Lager der Demonstrant:innen und Präsident Lukaschenko zu vermitteln.

Am 9. September 2020 wurde die Wohnung von Maksim Znak von Polizeiermittlern durchsucht und er verhaftet. Er befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Die eingeleitete Untersuchung stützt sich auf Artikel 361 (3) des belarussischen Strafgesetzbuches, der Handlungen gegen die nationale Sicherheit der Republik Belarus unter Strafe stellt.  Eine Vorschrift, die in dieser und ähnlichen Formen in anderen autoritären Staaten existieren und allzu oft von den Regierenden als Mittel eingesetzt werden, um Kritiker:innen zum Schweigen zu bringen. Die erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe werden von Experten als unbegründet angesehen. Bereits in einem offenen Brief vom 9. September 2020, der innerhalb einer Woche über 3.000 Unterschriften erhielt, wandten sich vor allem belarussische Jurist:innen gegen die offensichtlich ausschließlich politisch motivierten Maßnahmen. Der Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft (CCBE) protestierte bereits am 24. September 2020 und die American Bar Association am 22. Oktober 2020 jeweils mit einem an den Präsidenten der Republik Belarus Alexander Lukaschenko gerichteten Schreiben gegen die genannte Verhaftung.

Die Verhaftung von Maksim Znak steht symbolisch für die Verhaftung weiterer Kolleg:innen, die im Rahmen ihrer Berufsausübung behindert, mit staatlichen Repressalien bedroht und inhaftiert wurden. Sie dient den Regierenden als Exempel, dass allen aufzeigen soll, sich nicht gegen den Staat und seine Institutionen aufzulehnen. Die Verhaftungen verletzen international anerkannte Grundprinzipien. Die UN Basic Principles on the Role of Lawyers (1990) verlangen in Artikel 16, dass Regierungen sicherstellen, dass Anwälte

„in der Lage sind, (a) alle ihre beruflichen Funktionen ohne Einschüchterung, Behinderung, Belästigung oder unzulässige Einmischung auszuüben; (b) in der Lage sind, frei zu reisen und ihre Mandanten sowohl im eigenen Land als auch im Ausland zu konsultieren; und (c) keine strafrechtliche Verfolgung oder administrative, wirtschaftliche oder sonstige Sanktionen für Handlungen erleiden oder angedroht bekommen, die in Übereinstimmung mit den anerkannten beruflichen Pflichten, Normen und ethischen Grundsätzen erfolgen“.

Weiter heißt es in Artikel 18:

„Rechtsanwälte dürfen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht mit ihren Mandanten oder den Angelegenheiten ihrer Mandanten identifiziert werden.“

Die Untersuchungshaft von Maksim Znak wurde bereits mehrmals verlängert, zuletzt über den 9. Mai 2021 hinaus. Er wurde am 10. Februar zusätzlich wegen Verschwörung zur Machtergreifung und Gründung einer extremistischen Organisation nach dem weißrussischen Strafgesetzbuch Teil 1 Art 357 und Teil 1 Art 361-1 angeklagt. Das bedeutet, dass eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren drohen könnte. Ein Verlassen der U-Haft scheint ausgeschlossen.

Maksim Znak muss die Untersuchungshaft und das bevorstehende Strafverfahren und eine daraus resultierende mögliche Freiheitsstrafe von 12 Jahren nur deshalb erdulden, weil er seinen Beruf als Rechtsanwalt ausgeübt hat. Obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, vor seiner Verhaftung das Land zu verlassen oder statt die Interessen der genannten Wahlkandidat:innen und Politiker:innen zu vertreten, andere unpolitische Mandant:innen zu unterstützen, hat er sich entschieden, seine Arbeit als Anwalt fortzusetzen und sich für die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte seiner Mandant:innen einzusetzen.

Kollege Maksim Znak zeichnet sich in besonderem Maße durch seinen Einsatz und seine Arbeit für Erhaltung und Umsetzung der Menschenrechte und gegen Intoleranz aus. Mit seiner Arbeit hat er die Freiheit und die Rechte seiner Mandant:innen, die Menschenrechte, die freie Advokatur und die Rechtsstaatlichkeit verteidigt.

Die Verleihung des Ludovic-Trarieux-Preises 2021 an Rechtsanwalt Maksim Znak wäre eine verdiente Anerkennung für einen Kollegen, der freie Advokatur und Menschenrechte um den Preis seiner persönlichen Freiheit verteidigt hat. Es wäre auch ein Tribut an die vielen belarussischen Kolleg:innen, die sich für ein freies rechtsstaatliches Weißrussland einsetzen.

Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter RA Bilinç Isparta

 

Kammerton 06-2021