Ludovic-Trarieux- Preis
für Ebru und Barkin
Timtik

Von Präsidiumsmitglied und FBE-Beauftragtem Nezih Ülkekul

Der internationale Ludovic-Trarieux-Preis für Menschenrechte ist eine Auszeichnung von Rechtsanwälten für Rechtsanwälte, die sich für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit gegen Rassismus und Intoleranz engagieren. Vergeben wird der Preis vom Institut für Menschenrechte der Europäischen Rechtsanwälte (IDHAE). Der Preis wurde erstmals 1984 an den damals inhaftierten Nelson Mandela verliehen.

Der Jury gehören neben der Rechtsanwaltskammer Berlin eine Vielzahl weiterer europäischer Rechtsanwaltskammern, u. a. die Rechtsanwaltskammern Paris, Brüssel, Amsterdam, Luxemburg, Genf, Bordeaux sowie weitere nationale und internationale Rechtsanwaltsorganisationen, wie die UIA (International Association of Lawyers) an.

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde der Preis für das Jahr 2020 erst am 28.09.2021 offiziell verliehen und die Laudatio gesprochen. Die Verleihung fand im großen Saal der Rechtsanwaltskammer Paris statt.

Der Verfasser, der am 27./28. September an dem Generalkongress der FBE (Fédération des Barreaux d’Europe = Verband Europäischer Rechtsanwaltskammern) teilnahm, war für den Kollegen Bilinc Isparta, Menschenrechtsbeauftragter der Rechtsanwaltskammer Berlin, eingesprungen, weil dieser kurzfristig an der Preisverleihung nicht teilnehmen konnte.

Der Verfasser hat die von dem Kollegen  Isparta vorbereitete Laudatio in englischer Sprache vorgelesen. Die Preisträgerinnen Ebru und Barkin Timtik sind Geschwister und waren Mitglied des Vorstandes der Progressiven Anwaltsorganisation CHD und zwei von 16 Rechtsanwälte*innen des HHB („Rechtsanwaltskanzlei des Volkes“). Sie vertraten u. a. mehrere Lehrkräfte, die, wie mehr als 100.000 weitere Staatsbedienstete unmittelbar nach dem Putschversuch im Jahre 2016 per präsidialem Dekret fristlos entlassen wurden. Sie vertraten auch Mandanten, die gegen ihre Entlassung protestiert hatten und sich im Hungerstreik befanden. Zwei Tage vor der Gerichtsverhandlung am 27.09.2017 wurden sie wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verhaftet und im März 2019 in Abwesenheit und unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu 18 Jahren (Barkin Timtik) und zu 13 ½ Jahren (Ebru Timtik) Haft verurteilt. Ebru Timtik begab sich gemeinsam mit ihrem ebenfalls inhaftierten und verurteilten Kollegen Aytac Ünsal im Januar 2020 in einen Hungerstreik. Sie starb am 27.08.2020 nach 208 Tagen. Sie wog dann nur noch ca. 30 kg. Der internationale Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreis wurde daher an Ebru Timtik posthum vergeben.

Die sehr schön formulierte Laudatio wurde nach der Verlesung mit frenetischem Applaus bedacht.

Am Vormittag hatte ich in der Bibliothek des Palais des Justice, ebenfalls in Vertretung des Kollegen Bilinc Isparta, an der Jury-Sitzung für die Vergabe des Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreises für das Jahr 2021 teilgenommen. Die Sitzung wurde in französischer Sprache abgehalten. Am Ende wurde in mehreren Wahlgängen abgestimmt. Ein gesonderter Bericht hierüber folgt.

Kammerton 11-2021