15.07.2020

RAK Berlin kritisiert Gesetzentwurf zum Unternehmensstrafrecht

Gegen die Privatisierung des Ermittlungsverfahrens und die Beschränkung des Beschlagnahmeverbots

Die Rechtsanwaltskammer Berlin schließt sich den von der Anwaltschaft vielfach vorgetragenen Bedenken gegen das geplante „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ an.

 

Der Gesetzesentwurf sieht u.a. vor, dass unternehmensinterne Untersuchungen, mit denen wesentlich dazu beigetragen wird, die Tat aufzuklären, zur Milderung der Sanktionen führen können. Voraussetzung für die Sanktionsmilderung ist aber, dass die mit der Untersuchung beauftragten Personen nicht Verteidigerin oder Verteidiger des Unternehmens oder der Beschuldigten sind. Die Verteidigung soll somit von der Untersuchung förmlich ausgeschlossen werden.

 

Zunächst ist das damit zum Ausdruck kommende generelle Misstrauen gegenüber der Verteidigung befremdlich. Ein nachvollziehbarer, sachlicher oder gar empirisch belegter Grund besteht nicht.

Die geplanten Regelungen führen zudem zu einer unzulässigen Privatisierung des Ermittlungsverfahrens. Die Ermittlung von Straftaten muss hoheitliche Aufgabe bleiben, schon deshalb, weil private bzw. unternehmensinterne Ermittlungen nicht den geltenden Gesetzen unterliegen. „Die geplanten Regelungen führen zu einer „Quasi-Verpflichtung“ des Unternehmens, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Dadurch wird das Recht des Unternehmens und seiner beschuldigten Mitarbeiter zu schweigen bzw. sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, unterwandert“ kritisiert Dr. Vera Hofmann, Vizepräsidentin der Rechtsanwaltsanwaltskammer Berlin.

Zudem sollen Ermittlungsbehörden nahezu unbegrenzt Unterlagen der internen Untersuchungen beschlagnahmen dürfen. Selbst die Korrespondenz mit Rechtsanwälten, die zuvor das Unternehmen beraten haben, wäre vor einer Beschlagnahme nicht geschützt.

 

Der Gesetzesentwurf geht davon aus, dass das bislang bestehende absolute Beweiserhebungsverbot gegenüber Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO) nicht mit den Erfordernissen einer effektiven Strafverfolgung vereinbar sei. Aus diesem Grund wird im Gewand des Unternehmensstrafrechts § 160a StPO eingeschränkt, und zwar nicht nur im Rahmen von Wirtschaftskriminalität, sondern gleichermaßen für alle Beschuldigten. Dr. Hofmann: „Der Gesetzesentwurf hat zur Folge, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant sowie die Tätigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in ihrer Gesamtheit nicht mehr geschützt werden.“

 

Gesetzentwurf vom 16.06.2020

Stellungnahme der BRAK (Ausschuss Strafprozessrecht)

Stellungnahme der BRAK (Ausschuss Strafrecht)

Stellungnahme des DAV zum Referentenentwurf

Presseerklärung der RAK Berlin vom 15.07.2020