30.04.2018

Bericht von der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer am 27.04.2018

Der Kammerpräsident teilt mit

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 27.04.2018 trat in Koblenz die Hauptversammlung (HV) der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zusammen, die aus insgesamt 28 Rechtsanwaltskammern mit jeweils einer Stimme besteht. Über die wesentlichen Ergebnisse möchte ich Sie informieren:

1.) Neue Erkenntnisse oder Informationen zum beA gab es nicht. Die bei der secunet AG in Auftrag gegebenen Überprüfungen des Gesamtsystems dauern noch an, nach derzeitigen Prognosen soll das Gesamtergebnis der Überprüfung Ende Mai 2018 vorliegen. Erst dann kann entschieden werden, ob und unter welchen Voraussetzungen das System wieder online geht. Derzeit ist geplant, das System mit einer Vorankündigungsfrist von mindestens 1 Monat wieder in Betrieb zu nehmen.

2.) Gegenstand der HV war vor allem die Haushaltsdebatte. Der vom Schatzmeister der BRAK vorgelegte Haushaltsplan für 2019 wurde von der HV gebilligt. Er sieht für 2019 einen von jeder Rechtsanwaltskammer pro Kammermitglied an die BRAK einschließlich der Schlichtungsstelle abzuführenden Betrag von insgesamt 96,00 EUR vor; darin eingeschlossen ist ein Betrag von 52,00 EUR für die Finanzierung des beA. Für die RAK Berlin habe ich den Haushaltsplan abgelehnt, u.a. da die Höhe der zugunsten der BRAK bestehenden und dem Haushalt zufließenden Ersatzforderungen hinsichtlich des beA-Desasters bisher nicht beziffert werden konnten. 25 der insgesamt 28 RAKen sahen darin keinen Hinderungsgrund und stimmten dem Haushalt zu.

3.) Dem Präsidium sowie der Geschäftsführung der BRAK wurde für das Haushaltsjahr 2017 Entlastung erteilt. Zwei Kammern, darunter die RAK Berlin, stimmten mit Nein, 22 Kammern erteilten die Entlastung. Ein vor der Abstimmung von mir gestellter Antrag, die Entscheidung zur Entlastung zu vertagen, um eine Überprüfung der Abläufe und etwaiger Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem beA zu ermöglichen, scheiterte mit deutlicher Ablehnung. In gleicher Weise scheiterten im weiteren Verlauf der HV auch Anträge, die sich auf die Einsetzung eines Sonderermittlers oder eines Untersuchungsausschusses bezogen.

4.) Den Haushaltsdebatten schloss sich eine sehr ausführliche sowie in Verlauf und Ergebnis kontroverse Diskussion über die Abläufe und die Kommunikation der beA-Krise durch das BRAK-Präsidium an. In der von nur sehr wenigen Kammern offen geäußerten Kritik wurden insbesondere die zögerlichen, unvollständigen und teilweise widersprüchlichen Informationen der BRAK in Zusammenhang mit dem beA-Desaster gerügt. Als positiv kann ich anmerken, dass der Präsident der BRAK mehrfach betonte, dass diese Kritik im Präsidium angekommen sei; die konkrete Nachfrage, was in Zukunft verändert werden würde, wurde von ihm leider nicht beantwortet. Ebenso wenig wurde deutlich, wo das Präsidium selbst Fehler im eigenen Handeln erkennt.

5.) Auf der Hauptversammlung wurde kein Misstrauensantrag gegen den BRAK-Präsidenten Ekkehard Schäfer und/oder den Vizepräsidenten Dr. Martin Abend gestellt. Gelegentlich eines Antrages in der Haushaltsdebatte erklärte die antragsstellende Kammer lediglich in ihrer Antragsbegründung, dass sie im Auftrag ihrer Kammerversammlung den genannten Personen das Misstrauen ausspreche. Nachdem dieser Antrag dann von der HV abgelehnt wurde, schlussfolgerte das Präsidium der BRAK, dass die überwiegende Mehrheit der Kammerpräsidentinnen und -präsidenten die Arbeit des Präsidiums schätze und unterstütze. Die Presseerklärung der BRAK finden Sie hier.
Auch ich habe für die RAK Berlin einen Misstrauensantrag nicht zur Abstimmung gestellt. Denn im Vorfeld der HV sowie im Verlauf der Debatten wurde sehr deutlich, dass die weit überwiegende Zahl der Kammern den derzeitigen Schwerpunkt auf die rasche Wiederinbetriebnahme des beA-Systems legt und über Konsequenzen aus den bisherigen Abläufen und Fehlern erst in der Zukunft debattieren möchte. Sehr deutlich wurde zudem, dass die in der Konferenz geäußerten klaren Auffassungen der RAK Berlin zu Verantwortlichkeiten und Ursachen der beA-Krise derzeit von den überwiegenden Kammerpräsidentinnen und -präsidenten nicht, vor allem nicht HV-offen, geteilt werden.

6.) Der von unserer Kammer gestellte und von einigen Kammern unterstützte Antrag auf Offenlegung des Quellcodes des beA, der Durchführung von Sicherheitsaudits, der Historisierung von Störungsfällen etc. (vgl. hier) wurde diskutiert und zur Entscheidung auf eine im Mai 2018 stattfindende Präsidentenkonferenz vertagt. Hier ist eine erfreuliche Tendenz der grundsätzlichen Zustimmung zu verzeichnen, wobei jedoch auch deutlich wurde, dass einzelne Passagen in dem Antrag der Nachbesserung bedürfen, um dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen. So wurde in der Diskussion z.B. darauf verwiesen, dass aus finanziellen Gründen nicht ausnahmslos jedes denkbare Betriebssystem unterstützt werden könne oder dass die derzeit bestehenden vertraglichen Regelungen der BRAK mit dem Dienstleister Atos einer vollständigen Offenlegung des Quellcodes entgegenstehen könnten.

7.) Die HV beschloss schließlich einen Gesetzgebungsvorschlag zur weitgehenden Öffnung und Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts. Die von der RAK Berlin unter grundsätzlicher Bejahung des Vorschlages gestellten Änderungsanträge wurden von der HV bestätigt und in den Gesetzgebungsvorschlag aufgenommen.

8.)  Angekündigt wurde, dass sich vermutlich Mitte Mai 2018 eine außerordentliche Präsidentenkonferenz mit weiteren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem beA beschäftigen werde.

Ich werde Sie informieren, soweit mir neue Erkenntnisse und Informationen, vor allem bezüglich des beA, vorliegen. Bis dahin verbleibe ich

mit besten Grüßen
Dr. jur. Mollnau
Präsident