Über die 79. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern

Die 79. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern fand am 04.09.2021 in Hamburg statt; coronabedingt fand im Jahr 2020 keine Tagung statt.

 

1.    KostRÄG 2021, Legal Tech-Gesetz & Co

 Die Gebührenreferenten befassten sich mit dem am 01.01.2021 in Kraft getretenen Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 (KostRÄG 2021) sowie dem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (sog. Legal Tech-Gesetz) und dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht, die beide seit 01.10.2021 gelten.

Im Rahmen der nächsten Tagung werden sich die Gebührenreferenten mit den bis dahingesammelten Erfahrungen und Nachfragen der Kammermitglieder zu diesen Gesetzen beschäftigen, insbesondere mit der Frage des Umgangs mit der Neuregelung des Erfolgshonorars gem. § 4a RVG.

 

2.   Stundensatzhonorarvereinbarungen 15-Minuten-Zeittaktklausel unwirksam

Die Gebührenreferenten begrüßten das Urteil des BGH vom 13.02.2020 (Az. IX ZR 140/19 = BRAK- Mitt. 2020, 150 mit Anm. Schons), da es Rechtssicherheit und -klarheit schafft. Der BGH entschied, dass die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars, welche den Rechtsanwalt berechtigt, für angefangene 15 Minuten jeweils ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen, den Mandanten unangemessen benachteiligt. Außerdem ist nach dem BGH eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung, welche eine Mindestvergütung des Rechtsanwalts in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung vorsieht, unwirksam.

Ferner hat das Urteil nach Auffassung der Gebührenreferenten auch bei Rahmengebühren Relevanz. Der BGH führt darin auch zur Substantiierung des erforderlichen Vortrags zum Umfang der Tätigkeit aus und stellt dabei hohe Anforderungen. An diesen Kriterien werden sich künftig die Gebührenabteilungen der Rechtsanwaltskammern auch bei Rahmengebühren orientieren müssen.

 

3.   Masseninkasso

Thema der 79. Gebührenreferententagung war zudem das Urteil des 4. Strafsenats des BGH vom 14.03.2019 (Az. 4 StR 426/18) zum Betrugsvorwurf bei Masseninkasso wegen überhöhter Anwaltskosten. Dabei geht es um die Frage der Abgrenzung von anwaltlichem Masseninkasso und rein kaufmännischer Tätigkeit (siehe Rn. 35 des Urteils). Nach Auffassung des Strafsenats ist eine im Rahmen einer Automatisierung massenhaft durchgeführte Inkassotätigkeit nicht als anwaltliche Dienstleistung, sondern als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren.

Nach eingehender intensiver Diskussion halten die Gebührenreferenten die Schlussfolgerungen des 4. Strafsenats für nicht haltbar und fassten vor diesem Hintergrund einstimmig folgenden Beschluss:

Eine anwaltliche Tätigkeit wird nicht dadurch zu einer nicht-anwaltlichen Tätigkeit, dass sie ganz oder teilweise automatisiert erbracht wird.

 

4.   Überprüfung der Angemessenheit der Anzahl der aufgewandten Stunden?

Auch die Frage der Überprüfung der Angemessenheit des entfalteten Aufwands im Rahmen der Gebührengutachten nach § 3a RVG war Thema der Tagung vor dem Hintergrund einer missverständlichen Formulierung von RAuN a.  D.  Teubel  im  RVG-Kommentar  von  Mayer/Kroiß  (7. Auflage, § 3a Rn. 134).

Die Gebührenreferenten fassten nach ausführlicher Diskussion folgendes Meinungsbild:

Die Beurteilung der Plausibilität der aufgewendeten Stunden und der Abrechnung fällt nicht in die Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammern und ist auch nicht über § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO zu begründen. Neben § 14 Abs. 3 RVG ist allenfalls über § 3a Abs. 3 RVG die Frage zu beantworten, ob die Vereinbarung an sich, auf deren Grundlage die Abrechnung erstellt wird, unverhältnismäßig ist oder nicht.

 

 5.    Auswirkung der Anrechnung im Sozialrecht

Die Gebührenreferenten befassten sich ferner mit der Auswirkung der Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG im Sozialrecht. Im konkret behandelten Fall ist nach Anrechnung die Verfahrensgebühr im vollen Umfang wegfallen. Dieses Ergebnis der Anrechnung hielten die Gebührenreferenten für nicht zufriedenstellend und fassten daher folgenden Beschluss:

 

Die Gebührenreferenten halten eine Gesetzesänderung beim Anrechnungssystem im Sozialrecht für sinnvoll.

 

Kammerton 12-2021