Welche Folgen hat ein harter Brexit für die Berufsträger und Berufsausübungsgesellschaften nach UK-Recht?

Rechtsanwalt Dr. Marcel Klugmann

Fragen an Vorstandsmitglied Dr. Marcel Klugmann


Kammerton:
Herr Dr. Klugmann,  das Vereinigte Königreich („UK“) wird ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr Teil des Binnenmarktes und der Zollunion sein. Welche Folgen hat dies für Berufsträger nach UK-Recht, wenn sich die EU und UK auf kein Abkommen einigen und es zum „No-Deal-Brexit“ kommt?

Dr. Klugmann:  UK-Berufsträger, die eine deutsche Anwaltszulassung nach dem EuRAG erworben haben oder bis zum 31. Dezember 2020 einen Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft stellen und die notwendigen Voraussetzungen vorliegen, sollten Bestandsschutz genießen. Denn die entsprechenden Normen des EuRAG, vor allem § 11 EuRAG, stellen auf die Vortätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt ab, die ja nun erbracht wurde, als UK noch EU-Mitglied war oder die Übergangsphase galt. Es ist auch kein Widerrufsgrund gemäß § 11 Abs. 1 EuRAG in Verbindung mit § 14 BRAO ersichtlich, der in diesem Fall eingreifen würde.

Kann denn die Aufnahme in Deutschland gem.  § 2 EuRAG als niedergelassener UK-Berufsträger (europäischer Rechtsanwalt) widerrufen werden?

In § 2 EuRAG wird anders als in § 11 EuRAG nicht auf die Vortätigkeit abgestellt, sondern auf die Eintragung der Anwältin oder des Anwalts bei der zuständigen Stelle im Herkunftsstaat. Herkunftsstaaten werden in Anlage 1 zum EuRAG aufgezählt, und die derzeit dort für UK aufgeführten Anwaltsberufe sollen durch eine Rechtsverordnung aus der Auflistung gestrichen werden. Der von der Bundesregierung vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiter Vorschriften“ enthält eine eindeutige Ermächtigungsgrundlage zum Widerruf. Allerdings können sich diese Berufsträger vorbehaltlich der Ergänzung der entsprechenden Durchführungsverordnung als sogenannte „WHO– Anwälte“ gemäß § 206 BRAO niederlassen. Dies gestattet Ihnen die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Recht des Herkunftslandes, hier also UK, und im internationalen Recht, jedoch keine Beratung mehr im deutschen Recht oder im Unionsrecht.

Welche Aussichten bestehen für die Berufsausübungsgesellschaften nach UK-Recht?

Bei den Berufsausübungsgesellschaften ist nach dem Verwaltungssitz zu unterscheiden. Eine Berufsausübungsgesellschaft, die nach UK-Recht verfasst ist und ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, wird in Deutschland als solche nicht länger anerkannt, sondern in eine GbR umqualifiziert – mit der Folge der persönlichen Haftung der Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Für den Fall, dass die Berufsausübungsgesellschaft, die nach UK-Recht verfasst ist, ihren Verwaltungssitz in UK und einen Kanzleistandort in Deutschland hat, also insbesondere für große englische Wirtschaftskanzleien, ändert sich aber durch den harten Brexit nichts.

Sind denn nicht als internationale Berufsausübungsgesellschaften gem. § 59a Abs. 2 Nr.1 BRAO nur die Rechtsformen des deutschen Kapital- und Personengesellschaftsrechts und die entsprechenden Rechtsformen der EU und EWR zugelassen?

Nein, die Bundesrechtsanwaltsordnung enthält, abgesehen von den Kapitalgesellschaften, kein Erlaubniserfordernis für anwaltliche Rechtsformen. § 59 a Abs. 2 Nr. 1 BRAO erlaubt die Bildung einer internationalen Sozietät zwischen Rechtsanwälten und ausländischen Berufsträgern, auch aus Nicht-EU-Staaten, die die Voraussetzungen des § 206 erfüllen. Dies gilt auch, wenn der Verwaltungssitz dieser Sozietät im Ausland liegt. De lege ferenda wird dies klargestellt im jüngsten „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“.

Der Gesamtvorstand hat sich in der Videokonferenz am 11.11.2020 mit dieser Frage befasst. Mit welchem Ergebnis?

Der Gesamtvorstand hat im Anschluss an die Videokonferenz am 11.11.2020 im Umlaufverfahren beschlossen: So lange und so weit das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe nicht in Kraft ist, sieht die Rechtsanwaltskammer Berlin keinen rechtlichen Grund und keine Veranlassung, im Fall eines sog. „No-Deal-Brexit“ mit Mitteln der Berufsaufsicht oder des Wettbewerbsrechts Maßnahmen gegen die Berufsausübungsgesellschaften, die nach UK – Recht verfasst sind und ihren Verwaltungssitz in UK und einen Kanzleistandort in Berlin haben, und/oder gegen in diesem Kanzleistandort niedergelassene Rechtsanwältinnen  und Rechtsanwälte, zu ergreifen, soweit es um die berufsrechtlichen oder rechtsdienstleistungsrechtliche Stellung dieser Berufsausübungsgesellschaften und/oder der in ihnen tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach einem „No – Deal – Brexit“ geht.

Kammerton 12-2020