Der Tag des bedrohten Anwalts 2020

Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter Bilinç Isparta

Von Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter Bilinç Isparta

Der Tag des bedrohten Anwalts geht zurück auf den 24. Januar 1977 bei dem vier Gewerkschaftsanwälte und ein Mitarbeiter in ihrem Büro in Madrid, Spanien, wegen der Ausübung ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit ermordet wurden. Während einer der Mörder, der im Kontakt zu rechtsextremen Parteien und Organisationen stand, gefasst wurde und eine Haftstrafe von 15 Jahren erhielt, konnten die anderen beiden Täter ins Ausland fliehen. Einer der Täter setzte sich nach Brasilien ab, während der dritte Täter später in Bolivien wegen Drogenschmuggels inhaftiert wurde.

Erstmals wurde der Tag des bedrohten Anwalts im Jahr 2009 begangen  und wird am 24. Januar 2020 zum 10. Mal stattfinden. In den letzten Jahren konzentrierte sich der Tag des bedrohten Anwalts auf die Länder China, Kolumbien, Ägypten, Honduras, Iran, Philippinen, Spanien/Baskenland und auf die Türkei.

An dem Tag wollen die Initiatoren und die beteiligten Organisationen wie auch die Rechtsanwaltskammern,

1)

das Bewusstsein dafür schärfen, dass Anwälte während ihrer Berufsausübung im allgemeinen und bei der Vertretung der Mandanteninteressen im Besonderen belästigt, unter Druck gesetzt, bedroht, verfolgt, gefoltert, zum Schweigen gebracht und ermordet werden und

2)

eine nationale Diskussion über die Möglichkeiten, wie Anwälte vor derartigen Übergriffen und Repressalien geschützt werden können, einleiten oder fördern.

 

Die Situation in Pakistan

In den letzten Jahrzehnten wurden Anwälte in Pakistan bei der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten massenhaft Terrorakten, Mord, Mordversuchen, Angriffen, (Todes-)Drohungen, Verachtungsverfahren, Belästigungen und Einschüchterungen ausgesetzt.  Sie wurden teils verhaftet, inhaftiert oder gefoltert. In einigen Fällen weiteten sich die Übergriffe auch auf die Familienmitglieder bereits ermordeter Anwälte aus, die ebenfalls Opfer gewaltsamer Überfälle wurden. Zum Teil wird Rechtsanwälten das Berufsverbot angedroht oder  sie werden von Ermittlungsbeamten überfallen. Teilweise  wurden christliche Anwälte oder Mitglieder muslimischer Minderheitengruppen angegriffen oder mit dem Tod bedroht.  Der berüchtigtste Angriff auf Anwälte in Pakistan ereignete sich am 8. August 2016, als Terroristen das Regierungskrankenhaus von Quetta mit einem Selbstmordanschlag und Schüssen überfielen, bei dem 56 Anwälte ums Leben kamen.  Jedes Jahr wird weiterhin eine alarmierende Zahl von Anwälten während und wegen ihrer Tätigkeit umgebracht.

Die Täter dieser Anschläge waren nicht nur Terroristen und religiöse Fanatiker, sondern auch Mitglieder des Polizeiapparates. Es existieren Berichte, wonach einige Morde von Rechtsanwälten den regierungsfreundlichen Milizen (die es heute noch gibt) zugerechnet werden. Die Gründe für die Attacken auf die Kolleginnen und Kollegen sind vielfältig. Oft werden Sie wegen Ihrer Zugehörigkeit zu den Schiiten, der muslimischen Minderheit in Pakistan, angegriffen.

Es scheint, dass das Leben eines Rechtsanwalts in Pakistan bereits in dem Moment gefährdet ist, in dem er sich mit einer Angelegenheit als Rechtsanwalt befasst. Hierbei spielt es keine Rolle, welche Partei der Rechtsanwalt vertritt. Die Rechtsanwälte werden mit Ihren Mandanten und dem jeweiligen Fall regelmäßig gleichgestellt.

Das Verbot der Gleichstellung der Anwälte mit den von Ihnen vertretenen Rechtsangelegenheiten und/oder Mandanten stellt einen zentralen Grundsatz der UN-Leitsätze für die Rolle der Anwälte dar. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, darunter auch Pakistan, haben die Grundsätze über die Rolle der Rechtsanwälte unterzeichnet und sich zum Schutz der Rechtsanwälte verpflichtet.

Die Rahmenbedingungen in Pakistan sind in Anbetracht der Tatsache, dass die Taliban und andere terroristische Gruppen in vielen Teilen Pakistans immer noch präsent sind und immer noch häufig Angriffe auf ganz unterschiedliche Ziele verüben, besonders für Anwälte brisant. Sie sind in Pakistan ständig mit der Gefahr gezielter Gewalt, einschließlich Mord, konfrontiert.

Tötungen und mörderische Angriffe auf Anwälte zwischen 2014 und 2019

Die nachfolgend zusammengetragenen Fälle wurden von den Anwälten aus Pakistan, der International Association of People’s Lawyers (IAPL), Lawyers‘ Rights Watch Canada (LRWC) und dem European Bar Human Rights Institute (IDHAE) dokumentiert.

Im Jahr 2014: Rashid Rehman Khan, ein regionaler Koordinator der pakistanischen Menschenrechtskommission, wurde am 7. Mai 2014 von Bewaffneten erschossen. Am 3. Dezember 2014 griffen mehrere bewaffnete Motorradfahrer die Multan-Residenz von Shahbaz Gormani an, einem Anwalt, der einen Universitätsdozenten gegen Blasphemieanschuldigungen verteidigte.

Im Jahr 2015: Irfan Chauhan und Rana Khalid Abbas wurden von der Polizei während eines Protestschusses in der Stadt Daska, Provinz Punjab, am 25. Mai erschossen. Ein weiterer Anwalt, Zohaib Sahi, wurde bei diesem Vorfall schwer verletzt.

Im Jahr 2016 wurden von den 280 praktizierenden Anwälten 56 getötet und 92 gleichzeitig bei dem Terroranschlag am 08.08.2016 in Quetta verletzt. Infolgedessen wurde ein großer Teil der Balochistan Bar einfach eliminiert. Dies ist immer noch ein schwarzer Tag für den Anwaltsberuf in und außerhalb Pakistans!

Im Jahr 2017 ermordet: Rauf Ahmad Thaur Sheikhpura (9. Oktober 2017), Alia Shenzadi Sheikhpura (16. Mai 2017), Saleem Latif Nakana Sahib (30. März 2017), Mohammad Jan Gigyani (4. März 2017),

Im Jahr 2018: Pervez Akhtar (7. Februar 2018), Muhammad Idress (5. Februar 2018), Zainullah Khan (30. März 2018), Sanam Sikandar Umrani (aka Waqar Umrani 31. Mai 2018), Zamin Khan (6. Juni 2018), Haroon Bilour (13. August 2018), Yasir Zikyria (15. August 2018), Syed Azan Kundi (24. Dezember 2018), 7. Februar 2018: Pervez Akhtar Cheema, erschossen in seinem Auto auf dem Weg zu einer Anhörung in Sheikhupura, 9. Februar 2018: Rizvam, schwer angegriffen, weil er einen Angeklagten der Blasphemie verteidigte, 20. Februar 2018: Rana Ishtiaq und Owais Talib, getötet bei einer Anhörung im Gerichtsgebäude von Lahore.

Im Jahr 2019: : Naizmeen Shah (8. Januar 2019), Naila Amjad (11. Januar 2019), Asif Hussain (1. März 2019), Chaudhary Ghazanfar Ali Warraich (31. Mai 2019) und Malik Dilawar Hussain (17. Juli 2019), 3. Mai 2019, brutaler Mord an Mahr Muhammad Yasin Sahu adv Multan (Familienstreit), 3. Juni 2019, mörderischer Angriff auf Muhammad Adnan Othi, Chaudhary Shahid Meo, Muammad Tahir Aslam, 13. Juli 2019, mörderischer Angriff auf Mahr Ghulam Noul, 20. Juni 2019, mörderischer Angriff auf Syed Noor Ahmad Shah adv und neun weitere in TBA Arifwala, 16. Juli 2019, mörderischer Angriff auf Basharat Hundal adv von Rahim Yar Khan.

Der Fall Saif-ul-Malook

Saif-ul-Malook erhielt Morddrohungen, nachdem er einen Freispruch nach der Berufung gegen seine Mandantin Asia Bibi erhalten hatte, die  seit 2010 nach ihrer Verurteilung wegen Blasphemie im Todestrakt saß. Malook erhielt daraufhin Morddrohungen und war gezwungen, bei den europäischen Regierungen um Schutz zu bitten. Oberrichter Mian Saqib Nisar, Richter Asif Saeed Khosa und Richter Mazhar Alam Khan, die Richter, die ihre Verurteilung wegen Blasphemie aufgehoben haben, wurden ebenfalls mit dem Tod bedroht.

Am 24.01.2020 wird zeitgleich vor mehreren pakistanischen Botschaften, unter anderem auch vor der pakistanischen Botschaft in Berlin, Schaperstrasse 29, 10719 Berlin eine Demonstration stattfinden, bei der auf die haltlosen und nicht hinnehmbaren Arbeitsbedingungen der pakistanischen Kolleginnen und Kollegen hingewiesen und die Regierung auch dazu aufgefordert wird, alles Erforderliche für den ausreichenden Schutz der Kolleginnen und Kollegen zu unternehmen.

 

Datum:

Freitag, 24.01.2020

Ort:

Vor der pakistanischen Botschaft, Schaperstr. 29, 10179 Berlin

Beginn:

geplant ist 13.00 Uhr (der endgültige Zeitpunkt wird sich auf der Eingangsseite von www.rak-berlin.de im Nachrichtenbereich mitgeteilt.)

Kammerton 12-2019