Deutliche Anhebung der Empfehlungen für Azubi-Vergütungen ab Februar 2023

Auf Vorschlag seines Ausbildungsbeauftragten RA André Feske hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer am 12.10.2022 eine deutliche Anhebung der Empfehlungen für die Vergütung der Ausbildungsverhältnisse in den Berufen „Rechtsanwaltsfachangestellte/r“ (ReFa) und „Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte/r“ (ReNoFa) beschlossen.

Die Vergütung der Auszubildenden soll nun im ersten Ausbildungsjahr 1.050,-€ monatlich betragen, im zweiten 1.100,-€ und 1.150,-€ im dritten Jahr. Diese Empfehlung gilt für alle ab dem 1. Februar 2023 beginnenden Ausbildungsverhältnisse. Damit soll die Attraktivität dieser Ausbildungsberufe für künftige Fachkräfte deutlich gesteigert werden. Die Erhöhung der Vergütungsempfehlung ist auch ein Signal für die hohen Anforderungen, die an die Lern- und Leistungsbereitschaft der Auszubildenden in diesen Berufen gestellt werden.

In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der für die Ausbildungsberufe ReFa und ReNoFa abgeschlossenen Ausbildungsverträge dramatisch, in Berlin um rund 70 Prozent, zurückgegangen. Mangelnde Ausbildungsbereitschaft aber auch die zunehmende Attraktivität anderer Ausbildungsberufe sind nur zwei der Ursachen dafür. Im Land Berlin kommt als Besonderheit die Möglichkeit einer Ausbildung im Beruf als „Notarfachangestellte/r“ (NoFa) als Angebot der Notarkammer Berlin hinzu. Für diesen Ausbildungsberuf ist die Zahl der Vertragsabschlüsse nicht rückläufig, sondern steigt kontinuierlich an.

Zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses der Berliner Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sind deshalb zeitnah besondere Maßnahmen erforderlich. Diese will der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einleiten.

Ein erstes Werkzeug ist die Verringerung der „Abbrecherquote“. Diese ist in den letzten Jahren leider stark gestiegen, auch und gerade nach erfolgreicher Absolvierung der (höchstens) viermonatigen Probezeit. Das begonnene Ausbildungsverhältnis bis zur erfolgreichen Abschlussprüfung durchzuführen, ist zwar zuvörderst die Aufgabe der Auszubildenden und Ausbilder. Die Rechtsanwaltskammer will ihre ausbildenden Mitglieder in Zukunft mit ausbildungsbegleitenden Maßnahmen aber auch dabei unterstützen. Denkbar wären z. B. ein Seminarangebot der Rechtsanwaltskammer für Auszubildende zu einzelnen Fachthemen des Ausbildungsplans und ein kontinuierliches Beratungs- und Kommunikationsangebot für die Ausbildenden.

Die Zahl der jährlich neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge wieder signifikant zu steigern, wird ungewöhnliche, neue Maßnahmen erfordern. In allen Wirtschaftsbranchen Berlins übersteigt die Zahl der angebotenen, freien Ausbildungsplätze permanent die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber dafür. Handwerk und Handel reagieren darauf mit großflächigen Werbekampagnen. Sogar die Justiz wirbt aktiv und mit großem Aufwand (Print) um ihren künftigen Fachkräftenachwuchs.

In diesem Umfeld müssen die Berliner Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen bestehen, wenn sie ihre Büros noch mit Fachkräften besetzen wollen. Einfache Werbung in Printmedien, sei es durch den potentiellen Ausbildungsbetrieb oder die Rechtsanwaltskammer, genügt nicht mehr. Der Vorstand will für die Kammermitglieder zur Gewinnung von Fachkräftenachwuchs neue Wege gehen. Ziel ist die Erhöhung der eigenen Sichtbarkeit im branchenübergreifenden Umfeld der Mitbewerber und die zeitgemäße, zielgruppenorientierte Ansprache potentieller Auszubildender. Dafür soll einerseits eine professionelle Agentur zur Erarbeitung und Umsetzung eines für die Ausbildungsberufe „ReFa“ und „ReNoFa“ passenden Konzepts eingeschaltet werden. Andererseits soll die Mitgliederkommunikation auch bei der Werbung für die Berufsausbildung stark verbessert und modernisiert werden. Möglich wäre die Einrichtung einer interaktiven, elektronischen „Ausbildungsbörse“ für die Kammermitglieder. Ein möglicher Anwendungsfall: ausbildungswillige Kanzleien melden so ihren konkreten Bedarf und die durch Werbemaßnahmen gewonnenen Adressdaten potentieller Interessentinnen und Interessenten werden diesen Kanzleien zur Kontaktaufnahme von der Rechtsanwaltskammer direkt übermittelt. Oder: Den Kanzleien werden so konkrete Gelegenheiten zur Werbung in eigener Sache benannt, etwa freie Termine  zur Präsentation des eigenen Ausbildungsangebots in einer Schule, im Rahmen der dort durchgeführten „Berufsorientierung“.

Um die duale Ausbildung „ReFa“ und „ReNoFa“ wieder weithin bekannt zu machen und attraktiv zu gestalten, ist das gemeinsame Handeln aller daran Beteiligten erforderlich. Ausbildungsbetriebe und Berufsschule müssen zusammen wirken. Dafür steht in Berlin die Hans-Litten-Schule (OSZ Recht), als Berufsschule für die „ReFa“ und „ReNo“-Auszubildenden.

Information und Erfahrungsaustauch zwischen Ausbildenden und Berufsschule sind der Zweck des jährlich stattfindenden „Ausbilderabends“ der Hans-Litten-Schule (H-L-S). Dieses Jahr fanden sich dafür am 19. Oktober 2022 knapp 40 Gäste ein.

Als Innovation bot die H-L-S ihren Gästen dieses Jahr vor der Plenumsveranstaltung auch die Teilnahme an verschiedenen kurzen Workshops (á 20 Min.) zu jeweils anderen Aspekten der Berufsschulausbildung an. Individuelle „Lehrersprechstunden“ konnte außerdem schon im Voraus vereinbart werden und fanden im Anschluss an das Plenum statt. Beide Neuerungen fanden großen Anklang.

Unter Leitung von Studiendirektorin Anja Meyer-Heidemann wurde im Plenum über aktuelle Entwicklungen berichtet und mit den Teilnehmenden diskutiert.

  • Rückkehr zur Normalität, trotz Corona-Einschränkungen: An der H-L-S konnte der Präsenzbetrieb im letzten Schuljahr wieder als aktiver Lernfeldunterricht aufgenommen werden. Lernrückstände wurden analysiert und konnten verringert werden, unter anderem durch ausbildungsbegleitenden Hilfen, etwa das individuelle Nachhilfeprogramm „AsAflex“. Schulische Aktivitäten wurden wieder neu begonnen. Etwa 30 Auszubildende nahmen an Auslandspraktika teil, etwa in Spanien, Malta, Nordirland, Frankreich und Polen.
  • die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den ReFa- und ReNoFa-Klassen ist so stark rückläufig, dass schulorganisatorisch reagiert werden musste. Insbesondere konnte das bisherige Angebot einer „Europaklasse“ (mit zusätzlichem Fremdsprachenunterricht) für den Ausbildungsberuf „ReFa“ nur durch eine Neuorganisation, hin zur „Europagruppe“ erhalten werden.

 

In der Plenumsdiskussion hierzu gab ein Teilnehmer zu bedenken, man finde heute kaum noch geeignete Bewerbungen, weil ein Uni-Studium oftmals Priorität genieße. Insgesamt sei nach seiner Auffassung der Bedarf an Arbeitskräften insgesamt zurückgegangen, es gäbe im anwaltlichen Bereich weniger Einsatzmöglichkeiten. RA Feske entgegnete als Ausbildungsbeauftragter, die Anwaltschaft benötige Fachkräfte, die selbständig arbeiteten. Wenn in den Kanzleien auch zukünftig gute Arbeitsbedingungen vorhanden sein sollen, müsse in die Ausbildung investiert werden. Nicht nur die Ausbildungsinhalte, auch die Bezahlung müsse stimmen.  Er appellierte zur Erhöhung der Azubi-Zahlen an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die bereits mit Erfolg ausgebildet haben:

„Sprechen Sie mit denjenigen, die noch nicht ausbilden! Und erzählen Sie ihnen von Ihren guten Erfahrungen…“

 

→ Weitere Informationen zur Ausbildung finden Sie hier 

Kammerton 11-2022