RA Stefan Conen, 1. Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger, antwortet

Rechtsanwalt Stefan Conen

Stefan Conen ist 1. Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und seit 2004 im Vorstand. Er ist renommierter Strafverteidiger, aber auch als Kommentator tätig. Stefan Conen ist Mitglied im Strafrechtsausschuss des DAV und Lehrbeauftragter der Freien Universität Berlin für Strafprozessrecht sowie in der Anwaltsfortbildung tätig.

Warum sind Sie Rechtsanwalt geworden?
Ich bin Anwalt geworden, weil ich während diverser Praktika und im Referendariat gemerkt habe, dass mich vor allem auch die Freiheit des Berufs anspricht. Eine Freiheit, die ich während meiner Stationen im Staatsdienst so nicht empfunden habe und die für mich auch bedeutete, mich strafprozessual praktisch für die Beschuldigtenrechte einsetzen zu können, mit denen ich mich vorher am Lehrstuhl Eisenberg wissenschaftlich beschäftigt hatte.

Ihre Vorbilder in der Anwaltschaft?
Vorbilder zu benennen finde ich schwierig, weil es impliziert diesen nacheifern zu wollen. Ich denke man muss seinen eigenen Stil finden, den man authentisch verkörpern kann. Ich habe natürlich meinen Sozius Nicolas Becker für vieles bewundert, ohne jedoch der Meinung zu sein, das imitieren zu können oder zu wollen. Ich finde es auch im Sinne des Ausspruchs unseres verstorbenen Kollegen Gerhard Jungfer, eine geschichtslose Anwaltschaft sei eine gesichtslose Anwaltschaft, wertvoller, sich mit historischen Anwaltspersönlichkeiten zu beschäftigen und anwaltliches Handeln aus der Distanz zu analysieren als nach Idolen zu streben.

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Rechtsanwältin oder ein guter Rechtsanwalt haben?
Ein Anwalt sollte die Interessen seines Mandanten bedingungslos loyal vertreten, gleichviel wie unpopulär das sein mag. Er sollte dabei ebenso rechtlich interessiert wie versiert sein und auch dann beharrlich bleiben, wenn ein als gut befundenes Argument zunächst auch kein Gehör finden mag. Weiterhin braucht er soziale Kompetenz um das Recht gegenüber dem Mandanten zu kommunizieren und umgekehrt seine Interessen effektiv zu vertreten.

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen
Ich würde es heute vor allem Menschen empfehlen, die für ein Thema brennen, das rechtliche Herausforderungen bietet. Das kann alles Mögliche sein, ob Menschen- oder Arbeitnehmerrechte oder klimapolitische Ziele. Leidenschaft bedeutet eben häufig auch Parteilichkeit und der Anwaltsberuf beherbergt die Freiheit, dieser Leidenschaft nachgehen zu können und um die Verbesserung ihrer Rahmenbedingungen zu kämpfen.

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?
Ich halte die Verschwiegenheitspflicht ebenso für unverhandelbar wie das Verbot widerstreitende Interessen zu vertreten, habe das Berufsrecht aber noch nicht nach Überflüssigem durchforstet.

Worum geht es Ihnen bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in nächster Zeit?
Berlin richtet den Strafverteidigertag 2020 aus. Wir als Vereinigung Berliner Strafverteidiger sind damit Gastgeber. Das ist eine der Herausforderungen. Rechtspolitisch gilt es liberale Errungenschaften des Strafprozesses zu verteidigen, die unter dem Mantra der Prozesseffektivierung durch den Gesetzgeber immer weiter geschliffen werden.

Was war Ihr Beweggrund für dieses Ehrenamt?
Als Strafverteidiger steht man regelmäßig nicht nur dem Ermittlungsapparat einsam gegenüber, sondern auch der veröffentlichten Meinung. Die Freiheiten, die meine Generation von Strafverteidigern gleichsam geschenkt bekommen hat und die unsere Vorgänger erkämpft haben, stehen unter medialem und politischem Druck. Der Versuch sie zu verteidigen erscheint mir aussichtslos, wenn wir uns als Anwälte nicht auf ehrenamtlicher Basis zusammenschließen.

Wieviel Zeit benötigen Sie für diese Aufgabe?
Wenn man anfängt die Zeit zu messen, die man ehrenamtlich aufwendet, überlegt man wahrscheinlich schon, ob sie es einem wert ist. So weit bin ich noch nicht und ich will und kann es auch wirklich nicht abschätzen.

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?
Ich tue mich schwer etwas für „die Anwaltschaft“ zu beurteilen, da ich im speziellen Segment der Strafverteidigung tätig bin. Ich würde mir wünschen, dass wir besser darin wären unsere berechtigten Anliegen nicht nur auf fachlicher Ebene zu vorzubringen, sondern auch der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass wir – und nicht der Staat – für ihre Freiheiten einstehen.

Nutzen Sie soziale Netzwerke?
Praktisch kaum. Sie stehen meiner Meinung nach für Simplifizierung und Emotionalisierung des Diskurses, die ich als Rückschritt in der Debattenkultur empfinde.

Was macht Sie wütend?
Willkür. Wenn die Macht zu entscheiden selbstgerecht ausgeübt wird.

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel versehen?
Berufsbezogen? Schwer. Die Schicksale von Mandanten wären wahrscheinlich das interessanteste Sujet, sind aber aus anwaltsethischen Gründen und Schweigepflicht tabu. Hingegen ließe sich ein kulinarischer Führer rund ums Kriminalgericht zwar immerhin schnell und sehr übersichtlich gestalten, aber ich sehe mich einfach nicht als Schriftsteller.

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?
Digitalisierung ist Fluch und Segen zugleich. Ohne sie könnte ich mir den Umgang mit Akten in Umfangsverfahren gar nicht mehr vorstellen. Umgekehrt berichten ältere Kollegen aus der handy- und emaillosen Zeit, dass sie früher aus dem Anwaltszimmer allenfalls mittags mal per Münzsprecher im Büro anriefen, ob es was Neues gibt. Die Vorstellung dieser Ruhe von digitaler Ablenkung mutet in der heutigen Hektik schon wie das vielbemühte Werbeversprechen von „Wellness“ an.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag die Rolle tauschen?
Mit dem Dezernatsleiter eines LKA. Schon um mir mal anzuschauen, was für Datenbestände da mittlerweile aufgebaut werden. Am liebsten mit dem der Abteilung VP-Führung.

Haben Männer es in ihrem Beruf leichter als Frauen?
In meinem Bereich als Strafverteidiger denke ich schon. Es sind einfach wesentlich mehr Männer als Frauen, die strafbarer Handlungen beschuldigt werden. Und die Mandantschaft begreift sich mehrheitlich nicht unbedingt als Speerspitze der Emanzipation.

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?
Das fragen Sie besser meine Kollegen und Mandanten. Meine Familie hat Schweigerecht und -pflicht.

Ihr größter Flop?
Eine wirklich wunderschöne Revision, die viel Arbeit machte, unbezahlt war, aber von mir eingereicht wurde und dem Tatrichter bereits die Aufhebung seines Urteils vor Augen führte als die Mitteilung kam, der Mandant habe in der Untersuchungshaft die Revision beim dortigen Urkundsbeamten zurückgenommen, weil er nicht wolle, dass man umsonst für ihn arbeite und er sich auch nicht bei seinem ungeliebten Bruder verschulden wolle. Vielleicht schreibe ich doch ein Buch über die Schönheit im Scheitern.

Was lesen / hören / schauen Sie morgens als erstes?
Zeitung und Musik.

Ihr liebstes Hobby?
Reisen, Konzerte und Sport.

 

Kammerton 11-2019