RA Dr. Oliver Islam, Vorstandsmitglied des Hamburgischen Anwaltsvereins, antwortet

Rechtsanwalt Dr. Oliver Islam

Dr. Oliver Islam ist seit 2017 Rechtsanwalt. An der Leibniz-Universität Hannover war er 2010/2011 Mitglied des Wilhelm C. Vis Moot-Teams und ab 2015 Gründungsmitglied der Refugee Law Clinic. Promoviert hat er über „Das Kapitalbeteiligungsverbot an Anwaltsgesellschaften“. Er ist Senior Associate bei Noerr LLP in Hamburg in der Praxisgruppe Prozessführung, Schiedsverfahren und Alternative Dispute Resolution. Dr. Islam ist seit 2018 Vorstandsmitglied des Hamburgischen Anwaltsvereins.

 

Warum sind Sie Rechtsanwalt geworden?

Ich habe mich immer gerne verbal duelliert. Jura hat sich nach der Schule (und dem Zivildienst) irgendwie unbegrenzt angefühlt und als Herausforderung, sodass ich ohne etwas darüber zu wissen einfach losgelegt habe. Der Anwaltsberuf hat dann die meisten Entwicklungsmöglichkeiten und die größte Flexibilität versprochen. Man könne selbstbestimmt entscheiden, wo, wann und in welchem Bereich man tätig sein möchte. Das Versprechen wurde gehalten und ich will hier erstmal nicht weg.

 

Ihre Vorbilder in der Anwaltschaft?

Alan Shore (Boston Legal) und Barack Obama. Ein ganz reelles Anwaltsvorbild fehlt mir also noch. Auch weil diese beiden sich an der herausragenden Rhetorik festmachen, obwohl nach meiner Erfahrung die Schreibarbeit den Streit gewinnt.

 

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Rechtsanwältin oder ein guter Rechtsanwalt haben?

Zuverlässigkeit, der Spaß an Sprache und (ganz wichtig) am Kontakt mit unterschiedlichen Menschen.

 

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

Erstmal allen, die sich für Gesellschaft, Politik und Rechtsstaat begeistern können. Förderlich sind dann ein gutes Organisations- und Durchhaltevermögen, um die schwierigeren Abschnitte des Marathons durchzustehen.

 

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?

Eine an den neuen technischen Entwicklungen orientierte Anpassung des Gebührenrechts aber auch der zulässigen Werbung fände ich sinnvoll. Der Markt wird mit skalierbaren Leistungen nach den größten Rosinen suchend abgegrast, sodass Umsatzunterschiede zwischen Kanzleikonzepten immer größer werden. Ein automatisch erstellter Schriftsatz löst die gleichen Gebühren aus, wie ein am Einzelfall orientierter, für dessen Vorbereitung es zudem ein persönliches Gespräch gegeben hat. Eine Quersubventionierung funktioniert auf diese Weise zunehmend schlechter. Werbung ist in großen Teilen auf das Internet verlagert, wo (teilweise) Aufdringlichkeit das Rennen macht und sich die Konkurrenz gegenseitig mit Versprechungen überbietet. Ich schaue mir manchmal amüsiert, manchmal aber auch beschämt, die vielen Werbevideos an, die Facebook für mich als relevant erachtet.

Es gilt die Chancen der Technik für den Zugang zum Recht zu nutzen und dabei einzelne störende Elemente für das Vertrauen in die Rechtspflege herauszulösen. Derzeit wird der anwaltliche Berufsrahmen von der Richterschaft konturiert, weil die Legislative nicht ausreichend gestaltend tätig wird.

 

Worum geht es Ihnen bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in nächster Zeit?

Erstmal um das Kennenlernen des Umfelds, um herauszufinden, wo ich mich möglichst fruchtbar einbringen kann. Derzeit bin ich immer noch viel in (gerade spontan digitalisierte) Moot-Court-Veranstaltungen eingebunden und spreche regelmäßig mit Studierenden, ReferendarInnen und DoktorantInnen über den Anwaltsberuf. Ansonsten geht es natürlich darum, die Perspektive der jüngeren Generation in den Debatten einzubringen. Gerade in den Kammern (aber auch im Anwaltverein) ist das (relativ homogene) älteste Viertel der Anwaltschaft überrepräsentiert, was ich natürlich nicht als so zielführend erachte wenn es darum geht, der Anwaltschaft den Weg in die Zukunft zu bereiten.

 

Was war Ihr Beweggrund für dieses Ehrenamt?

Erstmal Neugier. Zudem hatte ich immer den Drang, etwas außerhalb des obligatorischen Aufgabenbewältigens zu tun. Auch macht man dabei spannende und oft fruchtbare Erfahrungen.

 

Wieviel Zeit benötigen Sie für diese Aufgabe?

Ich denke durchschnittlich einen halben (Arbeits-)Tag pro Woche.

 

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?

Pro bono-Arbeit; auch eine Außendarstellung als eine der tragenden Säulen von Demokratie und Rechtsstaat (der Ruf der Anwaltschaft könnte besser sein).

 

Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Ja, diverse. Ich versuche immer wieder erfolglos, die Nutzung zu reduzieren.

 

Was macht Sie wütend?

Ungleichverteilung von Chancen und fehlendes Vermögen, die eigenen Privilegien zu erkennen.

 

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel versehen?

Ich lese gerne Romane, die gleichzeitig historische Kontexte vermitteln oder Themen wissenschaftlich (möglichst korrekt) aufarbeiten. Was ich toll fände, wäre ein Bestseller, der Quellenkritik und eine evidenzbasierte, rationale Denkweise in einer packenden Geschichte vermittelt. Selbst könnte ich das aber nicht schreiben.

 

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?

Umstellung auf digital mit der Möglichkeit von „remote work“. Der große Segen namens beA (wirklich!). Die (hoffentlich bleibenden) Erkenntnisse, dass Elternzeit auch für Väter wichtig ist und möglichst diverse Teams für Leistungsparameter und Gesellschaft besser sind.

 

Mit wem würden Sie gerne einen Tag die Rolle tauschen?

Derzeit wohl Angela Merkel. Was die an Erfahrungen macht, das würde ich gerne mal erleben.

 

Haben Männer es in ihrem Beruf leichter als Frauen?

Ganz sicher.

 

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?

Ich fürchte, nun beschreibe ich zum Teil eine Person, die ich gerne wäre. Ich wechsele gerne möglichst schnell auf die persönliche Ebene und versuche Hierarchien im Rahmen der Möglichkeiten abzubauen. Ich brauche Spaß bei der Arbeit und etwas frei gestaltbare Zeit. Entscheidungen fälle ich ziemlich intuitiv und schnell und ergebe mich dabei manchmal einfach den Umständen. Manchmal fällt die Höflichkeit der Ehrlichkeit oder dem Redefluss zum Opfer. Ob das Stärken oder Schwächen sind, liegt im Auge des Betrachters.

 

Ihr größter Flop?

Wiederholte Mitgliedschaften im Fitnessstudio.

 

Was lesen / hören / schauen Sie morgens als erstes?

Mich weckt meist das Geplapper unserer Tochter. Später folgen dann diverse (social-)media Kanäle (facebook, linkedIn, Zeit/FAZ/Süddeutsche) und wenn es geht Hörbucher (im Bus zur Arbeit).

 

Ihr liebstes Hobby?

Wenn ich nur eines nennen darf und ehrlich sein muss: One Piece (eine japanische Serie, die ich seit fast 20 Jahren lese).

 

Welche berufliche Entscheidung würden Sie rückblickend anders treffen?

Da gibt es noch nicht so viele… derzeit keine.

 

Welcher Rat hat Ihnen auf Ihrem Berufsweg besonders geholfen?

„da war grad die Informationsveranstaltung für den Willem C Vis Moot Court bei Prof. Wolf im 9. Stock, vielleicht kannst du noch deine Emailadresse eintragen„, Hannover, April 2010.

Kammerton 10-2020