Neue Pflichten nach dem Geldwäschegesetz in Immobilienangelegenheiten

Trotz kritischer Stimmen aus der Anwaltschaft tritt am 1. Oktober 2020 die Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich (GwGMeldV-Immobilien [VO] – BGBl. 2020, 1965 f.) in Kraft. Adressaten sind ausschließlich Angehörige rechtsberatender Berufe, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 oder 12 GwG geldwäscherechtlichen Pflichten unterliegen, damit maßgeblich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Rechtsverordnung ist § 43 Abs. 6 GwG. Anknüpfungspunkt für Meldepflichten ist stets ein Erwerbsvorgang nach § 1 Grunderwerbssteuergesetz (GrEStG) – also beispielsweise Grundstückskaufgeschäfte, Auflassungen oder Meistgebote in Zwangsversteigerungsverfahren. Sofern in diesem Zusammenhang einzelne, in der Verordnung definierte Umstände oder Vorgänge festgestellt werden, hat der Verpflichtete trotz seiner  berufsrechtlichen Verschwiegenheitsverpflichtung diese Sachverhalte nach § 43 Abs. 1 GwG an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU), einer Bundesoberbehörde, zu melden (http://goaml.fiu.bund.de).

 

Vorweg: Meldepflichten bestehen nicht, wenn Tatsachen vorliegen, die einen Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsverdacht entkräften

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Meldepflichten nicht bestehen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Anzeichen auf einen Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsverdacht in den nachfolgend genannten Fallgruppen (§§ 4-6 VO) entkräften (Regel-Ausnahme-Prinzip, § 7 VO). Die entkräftenden Tatsachen, aufgrund derer der Verpflichtete von der Meldung absieht, sind allerdings sorgfältig und entsprechend der geldwäscherechtlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 GwG) zu dokumentieren.

Meldepflichtige Tatbestände sind grundsätzlich:

 

  • 3 VO: Bezug zu Risikostaaten oder Sanktionslisten

Angehörige rechtsberatender Berufe haben zu melden, wenn ein an dem Erwerbsvorgang Beteiligter (der Vertragspartner des Verpflichteten, die Vertragsparteien des Erwerbsvorgangs, die für diese auftretenden Personen oder ein wirtschaftlich Berechtigter) in einem Risikostaat ansässig ist oder einen engen Bezug zu einem Risikostaat aufweist. Hierbei handelt es sich um Staaten, die von der Europäischen Kommission benannt werden, die in ihren nationalen Systemen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung strategische Mängel aufweisen und daher ein Risiko für das europäische Finanzsystem darstellen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 VO, EU-Richtlinien 2015/849, 2018/843). Hierzu gehören beispielsweise Afghanistan, Bahamas, Iran, Irak, Jemen, Libyen, Nigeria, Panama, Puerto Rico, Saudi-Arabien oder Syrien.  Die Meldepflicht ist ebenfalls einschlägig, wenn ein Geschäftsgegenstand oder ein Bankkonto, das im Rahmen des Rechtsgeschäfts eingesetzt werden soll, einen engen Bezug zu einem Risikostaat aufweist.

Auch meldepflichtig sind Sachverhalte mit Beteiligten oder wirtschaftlich Berechtigten, die nach EU-Recht sanktionsgelistet sind oder aufgrund internationalem Recht im Wege einer im Bundesanzeiger veröffentlichten Allgemeinverfügung erfasst sind.

 

  • 4 VO: Auffälligkeiten im Zusammenhang mit den beteiligten Personen

Der Verpflichtete hat zu melden, wenn an dem Erwerbsvorgang Beteiligte ihre geldwäscherechtlichen Auskunfts- und Nachweispflichten (§ 11 Abs. 6 Satz 3, 4 GwG) nicht erfüllen. Folglich, wenn sie beispielsweise nicht offenlegen, ob sie für einen wirtschaftlich Berechtigten tätig werden bzw. dessen Identität nicht nachweisen oder wenn Hinweise auf unrichtige oder unvollständige Angaben zu den beteiligten Personen oder dem wirtschaftlich Berechtigten bestehen.

Anhaltspunkte für Treuhandverhältnisse, die Indizien für die Verschleierung der wahren wirtschaftlichen Beteiligungsverhältnisse darstellen („Strohmanngeschäfte“) sind ebenfalls meldepflichtig (§ 4 Abs. 3 VO).

Gleiches gilt, wenn Ermittlungs- und Strafverfahren sowie Urteile gegen an dem Erwerbsvorgang beteiligte Personen wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) innerhalb der letzten fünf Jahre gegeben sind (§ 4 Abs. 4 VO).

Der Verpflichtete hat zu melden, wenn Tatsachen darauf hindeuten, dass der Erwerbsvorgang in einem groben Missverhältnis zu dem legalen Einkommen und Vermögen eines Veräußerers, Erwerbers oder wirtschaftlich Berechtigten steht (§ 4 Abs. 5 VO).

Auch die Mitwirkung an grenzüberschreitenden Steuergestaltungen (§ 138d AO) ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls meldepflichtig (§ 4 Abs. 7 VO).

 

  • 5 VO: Auffälligkeiten wegen Vollmachtsdefiziten

Der Verpflichtete hat zu melden, wenn ein am Erwerbsvorgang Beteiligter aufgrund einer Vollmacht handelt, die nicht der Schriftform genügt und die Bevollmächtigung innerhalb von zwei Monaten nicht nachgewiesen wird (Nr. 1), eine unechte oder verfälschte Vollmachtsurkunde vorgelegt wird (Nr. 2), eine unklare Vollmacht vorliegt (Nr. 3). Eine Meldepflicht besteht sogar bei einer Vollmacht, die von einem Mitarbeiter der konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in einem Risikostaat oder einer Sanktion unterliegendem Land (i.S. § 3 Abs. 1 VO) beglaubigt wurde.

 

  • 6 VO: Auffälligkeiten beim Preis und Kauf- oder Zahlungsmodalitäten

Meldepflichtig ist ein Sachverhalt, wenn der Kaufpreis vollständig oder teilweise mit Barmitteln beglichen werden soll, sofern der Betrag 10.000 € übersteigt (Nr. 1a) oder Kryptowerte (Nr. 1b)  zur Zahlung eingesetzt werden sollen.

Ebenfalls meldepflichtig sind Sachverhalte, bei denen Zahlungen über ein Bankkonto in einem Drittstaat erfolgen bzw. erfolgen sollen, in welchem die zahlende Vertragspartei weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 1c).

Der Verpflichtete hat zu melden, wenn die Gegenleistung bzw. der Kaufpreis erheblich von dem tatsächlichen Verkehrswert abweicht, sofern die Differenz nicht auf einer offengelegten unentgeltlichen Zuwendung beruht (Nr. 2).

Gleiches gilt, wenn der Kaufpreis bereits vor Abschluss des Rechtsgeschäfts vollständig oder teilweise gezahlt wurde oder gezahlt werden soll, wenn der betreffende Betrag 10.000 € übersteigt und die veräußernde Person keine juristische Person des öffentlichen Rechts ist (Nr. 3). Hiermit soll Scheingeschäften vorgebeugt werden.

Meldepflichten können sich auch ergeben, wenn der Kaufpreis von Dritten erbracht oder an Dritte gezahlt wird (Nr. 4).

Eine von der BRAK organisierte Arbeitsgruppe der regionalen Rechtsanwaltskammern erarbeitet derzeit zu einzelnen Tatbeständen Empfehlungen, die in der nächsten Auflage der Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz veröffentlicht werden.

Kammerton 10-2020