Praxistipps für die verpflichtende E-Rechnung ab Januar 2025
Am 01.01.2025 tritt das Wachstumschancengesetz in Kraft. Teil der Neuregelungen ist die Einführung der verpflichtenden elektronischen Rechnung (E-Rechnung). Ab dem Jahresbeginn 2025 besteht die Verpflichtung, die E-Rechnungen empfangen zu können. Abhängig vom Umsatz des Unternehmens besteht ab dem 01.01.2027 oder ab dem 01.01.2028 die Verpflichtung, selbst E-Rechnungen zu erstellen.
Fragen dazu an Dipl. Finanzwirt und Steuerberater Robert Hammerl, der zu diesem Thema auf Kooperationsveranstaltungen des Deutschen Anwaltsinstituts und der RAK Berlin im Oktober und November 2024 referieren wird (s. unten). Robert Hammerl ist Partner der VATgroup. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich des Umsatzsteuerrechts, insbesondere bei grenzüberschreitenden und internationalen Sachverhalten. Er betreut Mandanten aller Art und Größen und ist führend in Deutschland im Bereich der Umsatzsteuer. Zudem ist er als Autor und Dozent tätig.
Herr Hammerl, halten Sie es für sinnvoll, dass es verpflichtend wird, E-Rechnungen zu verwenden?
Per se ist das Vorhaben des deutschen Gesetzgebers zu begrüßen, den Schritt weg von der Papierrechnung zu gehen. Ob der Schritt zum strukturierten Datensatz ohne die Anerkennung einer beispielhaften pdf-Rechnung zu diesem Zeitpunkt bereits wohl überlegt ist, bezweifle ich. In den Konzernen in Deutschland mit dem Einsatz von ERP-Systemen („Entire Price Resource Planning“), in denen Prozesse wie EDI („Electric Data Interchangre“) bekannt sind, werden auch strukturierte Daten kein Problem sein. Der Handwerker um die Ecke wird schon mehr Schwierigkeiten haben, strukturierte Daten auszutauschen.
Der Zeitpunkt ist m.E. daher unglücklich gewählt, weil die sog. ViDA-Richtlinie in der EU (VAT in the Digital Age) noch weiter verschoben wird. Hier ist vor 2030 wohl nicht mit der Einführung einer strukturierten Rechnung zu rechnen. Insofern müssen die Firmen weiterhin zweigleisig fahren, denn im Bereich der grenzüberschreitenden Lieferungen und Dienstleistung besteht weiterhin keine Verpflichtung, strukturierte Daten zu versenden. Auf EU-Ebene wird neben der E-Rechnung ja auch ein sog. Einzelreporting jeder einzelnen Rechnung eingeführt werden. Für dieses Vorhaben machen strukturierte Datensätze absolut Sinn.
Beim Einzelreporting in Deutschland sind wir aber noch lange nicht. Die IT-Landschaft innerhalb der Finanzverwaltung ist – Stand heute – gar nicht in der Lage, solche Mengen an Datensätzen zu erhalten und die Daten des Rechnungsausstellers und Rechnungsempfängers gegeneinander abzugleichen. Hauptproblem dabei ist allein schon, dass innerhalb Deutschlands in den Bundesländern teils unterschiedliche IT-Systeme eingesetzt werden. Und so muss zwischen den jeweiligen Systemen immer auch eine Schnittstelle „gebaut“ werden.
Wann liegt eine E-Rechnung vor?
Wir unterscheiden künftig zwischen strukturierten Daten und nicht strukturierten Daten. Als nicht strukturierte Daten gelten sog. Bilddateien wie ein pdf-Dokument. Strukturierte Daten sehen immer gleich aus und werden als xml-Datensatz übersandt. Grundlage für den Datensatz soll die sog. CEN-Norm der EU sein. Diese wird gerade überarbeitet.
In welchem Bereich wird das Erstellen von E-Rechnungen nicht zur Pflicht?
Die neue E-Rechnung ist immer dann verpflichtend, wenn zwei in Deutschland ansässige Unternehmen in Deutschland steuerbare Leistungen austauschen. Die Leistungen dürfen nicht nach § 4 Nr. 8ff UStG steuerfrei sein, z.B. Finanzleistungen, Bildungsleistungen oder Heilbehandlungen.
Folglich kommt die E-Rechnung nicht zur Anwendung, wenn ein Leistungspartner (Lieferant oder Kunde) nicht in Deutschland ansässig ist. Darüber hinaus besteht keine Verpflichtung, wenn die Leistungen an Privatpersonen erbracht werden.
Der Küchenbauer muss sich also beim Verkauf und Einbau einer Küche die Frage stellen, ob die Eigentumswohnung des Kunden nun selbst genutzt wird oder beispielsweise vermietet wird. Denn danach unterscheidet sich die Art der Rechnung. Und genau hier kommt das große Problem: Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist auch Unternehmer, wer eigentlich gar nichts mit der Umsatzsteuer am Hut hat wie der Vermieter einer Eigentumswohnung. Aber auch er muss eine E-Rechnung empfangen können.
Erstaunlicherweise wurden auch die Kleinunternehmer nicht von der Verpflichtung ausgenommen. Dies ist aus meiner Sicht gar nicht nachzuvollziehen, weil beim Kleinunternehmer ja gerade keine Umsatzsteuer erhoben wird. Stellen Sie sich den Betreiber einer Photovoltaikanlage vor, die zum Nullsteuersatz erworben wurde. Der Betreiber speist nun Strom an die Stadtwerke ein und erhält für die Einspeisevergütung eine umsatzsteuerliche Gutschrift. Diese ist als strukturierter Datensatz zu erstellen und zu versenden.
Generell ausgenommen von der Verpflichtung zur E-Rechnung sind alle Rechnungen bis zu EUR 250 (Kleinbetragsrechnungen) und die Fahrausweise für Bus und Bahn. Hier können weiterhin Papierbelege oder mit Zustimmung des Kunden pdf-Rechnungen beispielsweise erstellt werden.
In der ersten Stufe besteht ab 01.01.2025 die Verpflichtung, elektronische Rechnungen empfangen und revisionssicher archivieren zu können. Worum konkret müssen sich Anwaltskanzleien bis zum Jahreswechsel kümmern?
Die Hoheit über die Art der Abrechnung liegt beim Lieferanten / Dienstleister. Insofern muss jedes Unternehmen und damit jede Anwaltskanzlei ab dem 01.01.2025 eine strukturierte Rechnung als xml-Datei empfangen können. Hierzu ist es ausreichend, wenn die xml-Datei per Email eingeht. In der Anwaltskanzlei muss nun der zuständige Mitarbeiter eine sachliche Prüfung vornehmen, ob die Rechnung den gelieferten Waren / erbrachten Dienstleistungen entspricht und ob der Rechnungswert der Höhe nach in Ordnung geht. Diese Prüfung ist jedoch mit dem bloßen Auge im strukturierten Daten nur schwer möglich und kostet viel Zeit. Der Bearbeiter benötigt ja auch beispielsweise die Bankverbindung auf der Rechnung zur Überweisung.
Die Lösung wird also sein, dass die xml-Datei mit einem Leseprogramm geöffnet wird und sich quasi wie ein pdf am Bildschirm prüfen lässt. Heute nutzen Firmen einen pdf-Reader zur Ansicht einer pdf-Rechnung und morgen nutzen Firmen einen xml-Reader zur Ansicht einer xml-Rechnung.
Diese xml-Rechnung ist dann entsprechend zu archivieren im E-Mail-Postfach oder wie heute auch schon verbreitet in Tools wie Unternehmen online der DATEV in der Cloud „hinter“ die Buchung zur Rechnung.
Ausgangsseitig macht es in 2025 noch keinen Sinn, sich bereits mit dem Versand solcher Rechnungen zu befassen.
Ist ab 01.01.2025 die Ausstellung einer E-Rechnung an die Zustimmung des Rechnungsempfängers geknüpft?
Die klare Antwort ist nein. Sofern ein Unternehmer unbedingt zum 01.01.2025 umstellen möchte, empfehlen wir, dem Kunden immer die xml-Datei und parallel die pdf-Datei zu senden. Wir sprechen hier vom sog. hybriden Format, das bereits aus der X-Rechnung beispielsweise bekannt ist. Heute ist die Bilddatei pdf die führende Datei und ab 2025 ist dann die strukturierte xml-Datei die führende Datei.
Gibt es ab 01.01.2025 Regelungen, auf welchem Weg die Rechnungen übermittelt werden müssen?
Die Übermittlung muss elektronisch erfolgen. Anerkannte Wege sind beispielsweise die Übersendung per E-Mail oder der Download im Kundenkonto. Die Überlassung auf einem Datenstick ist beispielsweise nicht erlaubt.
An welche Übergangsvorschriften wird im Wachstumschancengesetz die Verpflichtung geknüpft, selbst E-Rechnungen zu erstellen?
Die Unternehmen haben in 2025 und 2026 eine Nichtbeanstandung, nach der weiterhin Rechnungen auf Papier oder wie heute auch mit der Zustimmung des Empfängers per pdf übersandt werden können. Für Unternehmen bis EUR 800.000 Umsatz in 2026 besteht noch ein Jahr länger, also in 2027 diese Nichtbeanstandung. Zum 01.01.2028 existieren dann keine weiteren Nichtbeanstandungen.
Stand heute ist dies mehr als unglücklich, wenn die Lösung in der EU wohl erst in 2030 kommen wird.
Wie lange kann der RA oder die RAin noch pdf-Rechnungen verschicken?
In 2025 und 2026 können weiterhin pdf-Rechnungen versendet werden. In 2027 ebenso, sofern die oben genannten Umsatzgrenzen in 2026 nicht überschritten wurden.
Ist es für die Anwaltschaft sinnvoll, die Ausnahmevorschriften für die Erstellung von E-Rechnungen auszuschöpfen?
Definitiv, denn zum Einen ist die CEN-Norm noch gar nicht erneuert worden und wird voraussichtlich im 1. Quartal 2025 neu veröffentlicht. Zum Anderen wird der Markt zeigen, welche Anbieter Programme zur Erstellung von den in Rede stehenden xml-Formaten bereitstellen. Die Anwaltschaft kann im ersten Schritt einmal auf deren Softwareanbieter zur Fakturierung zugehen und fragen, welchen Fahrplan der Softwareanbieter für dieses Thema hat.
Welche Software benötigen Anwaltskanzleien, um E-Rechnungen erstellen zu können?
Den Aussagen aus dem Bundesministerium für Finanzen ist zu entnehmen, dass dort ein Programm zur Erstellung und zum Lesen von xml-Rechnungen zur Verfügung gestellt werden soll. Ansonsten ist für jede Kanzlei der eigene Softwareanbieter im ersten Schritt der Ansprechpartner.
Müssen sich bei der Übermittlung der E-Rechnung der Rechnungsaussteller (der z.B. eine XRechnung erstellt) und der Rechnungsempfänger (der z.B. das hybride ZUGFeRD-Format verwendet) über das elektronische Datenformat einigen?
Nein. Das Format basiert auf der CEN-Norm und ist insofern einheitlich. Hybride Formate unterscheiden sich lediglich dadurch, dass neben der xml-Rechnung auch noch eine pdf-Rechnung übersandt wird.
Ab 2030 ist die Einführung eines elektronischen Meldesystems gegenüber den Finanzbehörden geplant. Spätestens dann kann die Verpflichtung, in der E-Rechnung den Leistungsempfänger und den Leistungsgegenstand anzugeben, gegen die anwaltliche Verschwiegenheit verstoßen. Kann die Anwaltschaft diese Angaben vermeiden, wenn die Mandantschaft nicht die Vorsteuer abzieht und daher die Angaben in der Rechnung nicht benötigt?
Ab 2030 soll das elektronische Meldesystem durch die ViDA-Richtlinie auf EU-Ebene kommen. Ob die deutsche Finanzverwaltung bis dahin in der Lage ist, bezweifle ich stark. Wir haben das Thema heute schon in der Anwaltschaft bei den Zusammenfassenden Meldungen. Dort muss der Anwalt die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Mandanten und den Umsatz auf monatlicher oder quartalsweiser Basis melden. Das Steuergeheimnis schlägt hier das Berufsgeheimnis. In einem vergleichbaren Fall gibt es hierzu bereits Rechtsprechung. So hat ein Arzt die Behandlungen eines Patienten offenzulegen, um die Steuerbefreiung für Heilbehandlungen in Anspruch nehmen zu können. Meines Erachtens wird das Thema Verschwiegenheit zu keiner Ausnahme bei den Meldesystemen führen.
Robert Hammerl wird bei einer Hybrid-Veranstaltung in den Räumen des DAI in Berlin am 28.10.2024, 14 Uhr, und bei einem Online-Vortrag LIVE am 21.11.2024, 14 Uhr, jeweils 2,5 Stunden lang referieren über die „Einführung der verpflichtenden E-Rechnung zum 01.01.2025 in Deutschland. Die Teilnahmegebühr beträgt jeweils 115,- €
Zur Anmeldung über die Website des Deutschen Anwaltsinstituts