Die Verleihung des Ebru-Timtik-Preises

Von RAin Ursula Groos , Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin

 

Am 17. und 18.06.22 fand in Palermo der zweite International Fair Trial Day (IFTD) statt, zu dessen Abschluss der Ebru-Timtik-Preis verliehen wurde. Am ersten Tag wurde vertieft die menschenrechtliche Situation in Ägypten, insbesondere im Hinblick auf die Gewährung von fairen Verfahren, beleuchtet.

Menschenrechtsanwält*innen und -aktivist*innen u.a. aus Ägypten, teilweise ehemals selbst inhaftiert, sprachen von einer Menschenrechtskrise, einem parallelen Rechtssystem, welches kontinuierlich die Grundsätze des fairen Verfahrens fundamental verletze und nicht einmal mehr vortäusche, dass es die Grundsätze einhielte. Sie schilderten unmenschliche und entwürdigende Haftbedingungen, Missbrauch, Misshandlungen und Folterungen und forderten, die Verantwortlichen vor ein internationales Gericht zu stellen.

Der zweite Tag weitete den Blick auf die weltweite Situation. Hier wurde festgestellt und anhand von Studien belegt, dass die Länder, in denen die Grundsätze des fairen Verfahrens systematisch nicht eingehalten werden, zunehmen. Dies gelte auch für Länder, die sich selbst als demokratische Staaten wahrnehmen würden. Das sei alarmierend.

In einer Studie wurden 14 Kriterien herausgearbeitet, die zur umfassenden Gewährung eines fairen Verfahrens unabdingbar seien. Das wichtigste Kriterium sei eine unabhängige Justiz und eine unabhängige Anwaltschaft. Ohne diese könnten andere Kriterien (wie z.B. Zugang zu einem Dolmetscher, umfassende Akteneinsicht, etc.) kaum bis keine Wirkung entfalten.

Der Ebru-Timtik-Preis ist benannt nach der engagierten kurdischen Menschenrechtsverteidigerin, die in der Türkei in einem politisch motivierten Verfahren zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Aus Protest gegen diese Verurteilung, die infolge eines Prozesses erging, der sich vor allem durch die völlige Missachtung aller Grundsätze des fairen Verfahrens auszeichnete, ging sie in Hungerstreik und starb an dessen Folgen.

Der Preis wurde Mohamed El Baqer and Haitham Mohammadein, ägyptische Anwälte und Menschenrechtsverteidiger, verliehen. Beide wurden aufgrund ihres beruflichen Engagements und ihres Einsatzes für die Menschenrechte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und befinden sich in Haft.

In der Vorbereitung des zweiten IFTD wurden langsam klarere Arbeits- und Entscheidungsstrukturen entwickelt und in der Umsetzung Erkenntnisse für die Weiterentwicklung (z.B. Kommunikation und Pressearbeit) gewonnen. Nach Palermo geht es mit voller Kraft und hoffentlich viel neuer Unterstützung – durch weitere Organisationen und insbesondere auch engagierte Kolleg*innen – in die Vorbereitung der Veranstaltung im nächsten Jahr.

Kammerton 09-2022