Wie funktioniert das neue beA für Berufsausübungsgesellschaften und wie die neue Fernsignatur?

Von RA André Feske, Präsidiumsmitglied der RAK Berlin

 

Anknüpfend an die Beiträge im Kammerton von 6/2021 und 11/2021 geht es heute um die seitdem wichtigsten Neuerungen im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) und dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA):

Jeder Nutzer der beA-Weboberfläche hat es bemerkt:

Das beA hat inzwischen ein neues Gesicht. Über Vorzüge oder Nachteile der neuen Oberfläche mag man geteilter Ansicht sein. Wichtiger sind aber die technischen Änderungen vom 09.06.2022 und 01.08.2022 (beA Version 3.14) und der bis zum Jahresende notwendige „Kartentausch“.

 

1. eBO, § 10 ERVV

Von vielen noch unbemerkt, ist das beA seit dem 09.06.2022 (wieder) auch für „Nichtanwälte“ erreichbar. Diese können nun elektronische Post an jedes beA senden. Rechtsgrundlage ist § 10 ERVV und § 19 II RAVPV

Das elektronische Bürger- und Organisationspostfach (eBO) kann von jeder natürlichen oder juristischen Person und von Personenvereinigungen (insbesondere: Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Unternehmensverbänden) eingerichtet werden. Also von jedem potentiellen Mandanten oder Gegner eines Mandanten.

Die Inhaber eines eBO können daraus nun ebenfalls über einen „sicheren Übermittlungsweg“ senden, § 130 a IV Nr.4 ZPO. Identität und Authentifizierung des Absenders sind geprüft. Das ist der Unterschied zum ehemaligen „Bürger-EGVP“.

Diese Öffnung des beA-Adressraums für Dritte birgt eine neue Haftungsgefahr. § 44 BRAO gilt auch im ERV. Rechtsanwältinnen sind auch als beA-Postfachinhaber verpflichtet, Aufträge unmittelbar abzulehnen, falls das auf diesem Weg angetragene Mandat nicht angenommen werden soll. Andernfalls drohen Schadenersatzpflichten.

Anders als in der wirklichen Welt oder beim Eingang solcher Mandatsanfragen per Email oder über die eigene Webseite, ist eine „automatische Abwehr“ solch unerwünschter Aufträge im beA nicht möglich. Ein  „Disclaimer“ auf der eigenen Webseite schützt davor nicht. Eine automatisierte Antwort auf eingehende Nachrichten kann im beA nicht erzeugt werden.

Unabhängig von der berufsrechtlichen Pflicht zur passiven Nutzung des beA ist es darum schon aus haftungsrechtlichen Gründen wohl notwendig, das beA-Postfach täglich auf eingehende Nachrichten zu kontrollieren.

 

2. BAG und „GePo“, § 31 b BRAO

Seit dem 01.08.2022 gibt es endlich das lange geforderte „Sozietätspostfach“ für Rechtsanwaltsgesellschaften. In Abgrenzung zum „einfachen“, personalisierten beA jeder Rechtsanwältin ist dafür inzwischen die Bezeichnung „Gesellschaftspostfach“ („GePo“) üblich.

Durch die Novelle der BRAO zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht werden nun auch bestimmte „Berufsausübungsgesellschaften“ (BAG) Träger der Rechtsberatungserlaubnis. Anders als bisher (bei der Rechtsanwalts-GmbH) wird die BAG von der zuständigen Rechtsanwaltskammer nicht mehr nur zugelassen (damit: Kammermitglied), sondern auch in das Gesamtverzeichnis (Bundesweites Amtliches Anwaltsverzeichnis: „BRAV“) eingetragen und muss dann ein eigenes beA-Postfach einrichten, § 31b BRAO. Für Zweigstellen der BAG kann diese ein weiteres beA beantragen.

Für die Kommunikation in justizförmigen Verfahren, an denen eine BAG als Prozessvertreterin beteiligt ist, kann das „GePo“ erhebliche Vorteile bringen.

Die den Prozessgegner vertretende Rechtsanwältin kann sich die bisher oft notwendige und lästige Nachfrage ersparen, welcher Berufsträger der BAG das Mandat dort verantwortlich bearbeitet, ergo: an welche Sozia der BAG und welche individuelle Safe-ID, Sendungen per beA geschickt werden sollen.

Auch das Risiko einer Fehlleitung von Nachrichten, weil die so adressierte individuelle Empfängerin nicht mehr für die BAG tätig ist (Sozietätswechsel), oder die verantwortliche Sachbearbeiterin intern inzwischen gewechselt hat, sind damit nun vermeidbar.

Für die BAG als Absender elektronischer Nachrichten kann ihr „GePO“ ebenfalls ein Gewinn sein, wenn es richtig eingerichtet und benutzt wird. Auch der Versand von Nachrichten aus einem „GePo“ unterliegt den Anforderungen des § 130 a ZPO. Es gelten also die schon bekannten Regeln.

Anders als von vielen erwartet, genügt es für den Versand „auf einem sicheren Übermittlungsweg“ aber auch im neuen „GePo“ nicht, dass eine Rechtsanwältin als Gesellschafterin der BAG den Schriftsatz selbst abgesendet.

Bitte merken: Die formwirksame Einreichung gelingt beim Versand aus dem „GePo“ nur, wenn der Rechtsanwältin vorher im „GePo“ die dafür notwendige „Rolle“ zugewiesen worden ist. Sie muss als „VHN-Berechtiger“ im „GePo“ der BAG eingetragen sein und sich in dieser Eigenschaft so im „GePo“ der BAG (nicht im eigenen beA-Postfach!) anmelden.

Einzelheiten zu den am 01.08.2022 eingeführten „Rollen“ sind im beA-Newsletter der BRAK (9/2022 vom 26.07.2022) beschrieben.

Nur so erfolgt die Übermittlung auf einem „sicheren Übermittlungsweg“ und ist die Einreichung auch ohne qualifizierte elektronische Signatur des verantwortlichen Berufsträgers formwirksam. Der Sendebericht („Prüfprotokoll“) zur Nachricht wird nur so den Hinweis „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“ (im Textblock: „Informationen zum Übermittlungsweg“) erhalten und für diese Übermittlung das Zertifikat „vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis“ (VHN) aufweisen.

Soll der Postversand vom Büropersonal erledigt werden, müssen die elektronischen Dokumente von der inhaltlich verantwortlichen Berufsträgerin vor dem Versand qualifiziert elektronisch signiert werden. Das gilt unverändert, auch für das „GePo“.

 

3. „Kartentausch“ und QES

Auch zur qualifizierten elektronischen Signatur gibt es Neuerungen, die zu beachten sind.

Der von der BRAK angekündigte „Kartentausch“ ist ein Teil davon. Beim Austausch geht es zunächst „nur“ um den Zugang zum eigenen beA-Postfach. Die bisherige Karte (beA-Karte „Basis“) muss gegen ein neues Modell ausgetauscht werden. Das muss bis zum Jahresende geschehen.

Alle Anwenderinnen, die ihre Dokumente qualifiziert elektronisch signieren, haben dafür aber auf ihrer alten beA-Karte ein zusätzliches Zertifikat (Signaturzertifikat) gespeichert. Auch dieses Signaturzertifikat verliert durch technische Änderungen an der beA-Infrastruktur die Gültigkeit!

Das vorhandene QES-Zertifikat, das auch materiell-rechtliche Schriftformerfordernisse ersetzen kann, muss also neu beschafft werden.

Besonderheit:

Das von der BRAK neu vorgesehene QES-Zertifikat der BNotK (als Vertrauensdienstanbieter) wird nicht mehr auf der beA-Karte des Anwenders gespeichert. Hier findet ein Technikwechsel statt, hin zur (neuen) „Fernsignatur“. Diese soll den grenzüberschreitenden elektronischen Rechtsverkehr in Europa erleichtern, indem nun auch ohne einen „Hardwaretoken“ („Signaturkarte“) eine qualifizierte elektronische Signatur (QES) erzeugt werden darf, z.B. mit Mobiltelefonen.

Erkennbare technische Vorteile, etwa ein höheres Sicherheitsniveau, bietet diese neue Technik der beA-Anwenderin nicht, hat aber ganz praktische Auswirkungen für die Arbeit mit dem beA:

(1)        Das Anbringen einer qualifizierten elektronischen Signatur ist nur noch möglich, wenn zeitgleich eine Internetverbindung besteht.

(2)        Das neue Signaturzertifikat der BNotK ist (derzeit) nur auf der Weboberfläche des beA einsetzbar.

Der praktische Nutzen der Anwenderinnen ist damit erheblich eingeschränkt:

War das Büro bisher so organisiert, dass die Rechtsanwältin das beA (Weboberfläche) gar nicht mehr selbst im Internetbrowser öffnen musste, muss das nun doch wieder sein.

Waren Schriftsätze bisher in einem Ordner („elektronische Unterschriftenmappe“) des eigenen Computernetzwerks qualifiziert elektronisch signiert worden und Weiterverarbeitung samt beA-Versand dem geschulten Büropersonal überlassen worden, muss auch das nun umorganisiert werden.

Die Nutzung einer Zusatzsoftware von Drittanbietern erleichtert vielen Anwenderinnen den beA-Alltag. Das Erzeugen von Stapelsignaturen im eigenen Netzwerk mit Signaturprogrammen (z. B.: „SecSigner“, „Data Boreum“ oder „DigiSeal“) oder das schnelle und komfortable Abrufen, Versenden und Signieren von beA-Nachrichten über Hilfsprogramme ohne Browserbenutzung, unter Verwendung der „KSW“-Schnittstelle (z. B.: „beA.expert“, „beAte“), sind häufige Anwendungsfälle. Diese Erleichterungen für die Anwenderinnen sind durch den Technikwechsel zur Fernsignatur – hoffentlich nur vorübergehend –  entfallen.

Offenbar ist bei der Planung des Technikwechsels bisher übersehen worden, dass es den praktischen Bedürfnissen der Berufsausübung einer Vielzahl der Anwenderinnen entspricht, ihre qualifizierten elektronischen Signaturen auch außerhalb der beA-Weboberfläche anbringen zu können. Bis dies auch mit der „Fernsignatur“ der BNotK möglich wird, ist Mehrarbeit der Postfachinhaberin erforderlich:

  • Sie versendet jede beA-Nachricht nur noch selbst ( „sicherer Übermittlungsweg“ mit VHN-Protokoll) oder
  • sie lädt jedes schriftformbedürftige Dokument selbst in das beA hoch und erzeugt dabei die QES zum Dokument. Dann kann der Versand später durch Dritte (Büropersonal) erfolgen. Oder
  • sie ignoriert die von der BNotK angebotene „Fernsignatur“ und beschafft sich ein wieder lokal speicherbares QES-Signaturzertifikat von einem anderen Anbieter als der Bundesnotarkammer.

 

Die Bundesnetzagentur hat eine Liste der Anbieter von QES-Zertifikaten veröffentlicht.

Für den Wechsel spricht (bisher) zudem, dass die Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur als „Fernsignatur“ wesentlich länger dauert als mit dem bisher auf der Karte gespeicherten QES-Zertifikat.

Die Server der Zertifizierungsstelle der BNotK, auf denen die Zertifikate zur „Fernsignatur“ gespeichert sind, antworten offenbar (noch) nicht besonders schnell.

Der Verfasser hat im Selbstversuch ermittelt, dass die Stapelsignatur mehrerer Dateien mit dem alten (lokal gespeicherten) Zertifikat binnen 5 – 13 Sekunden erledigt war, derselbe Vorgang mit der neuen Fernsignatur aber bis zu 2 Minuten benötigte.

Jedenfalls daran wird ganz zeitnah gearbeitet werden müssen, um den inzwischen wohl allseits anerkannten großen Nutzen des beA als praxistaugliches Werkzeug für die professionelle elektronische Kommunikation für seine Anwenderinnen zu erhalten und nicht zu schmälern.

Kammerton 09-2022