Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei der Rückkehr von Kanzleimitarbeitern aus dem Urlaub

Von Präsidiumsmitglied Kati Kunze

 

I. Quarantänepflicht und SARS-CoV-2-Test

Gemäß §§ 8, § 9a der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin vom 23. Juni 2020 i. d. F. vom 11. August 2020 (https://www.berlin.de/corona/massnahmen/verordnung/) besteht bei einem Aufenthalt in einem nach den Kriterien des RKI festgelegten COVID-19-Risikogebiet innerhalb von 14 Tagen vor der Rückkehr in das Land Berlin eine Quarantänepflicht. Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet sind danach verpflichtet, sich unverzüglich und unaufgefordert für 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben und das zuständige Gesundheitsamt zu kontaktieren.

Flankiert wird die Landesvorschrift durch die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten vom 6. August 2020 (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Entwurf_TestpflichtVO_BMG_07.08.2020.pdf). Danach müssen Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich in den letzten 14 Tagen in einem COVID-19-Risikogebiet aufgehalten haben, nach ihrer Einreise auf Anforderung des zuständigen Gesundheitsamtes oder der sonstigen vom Land bestimmten Stelle ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorhanden sind. Diese Anforderung kann bis zu 14 Tage nach Einreise erfolgen. Das ärztliche Zeugnis nebst Laborbefund kann in deutscher oder englischer Sprache vorgelegt werden. Der Test darf auch vor der Rückreise in die Bundesrepublik in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem sonstigen durch das RKI veröffentlichten Staat durchgeführt werden, aber bei Einreise nicht länger als 48 Stunden zurückliegen.

Dementsprechend sieht § 9 Abs. 3 SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung für das Land Berlin vor, dass unter anderem dann eine Ausnahme von der Quarantänepflicht besteht, wenn ein entsprechend negatives Testergebnis nachgewiesen werden kann. Die Quarantänepflicht besteht in diesem Fall bis zum Vorliegen des Negativattests.

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben diese Vorgaben nicht nur bei der Planung ihrer eigenen Tätigkeit zu berücksichtigen. Die Quarantänepflicht bedeutet auch, dass Kanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die ihren Urlaub in einem Risikogebiet verbracht haben, nicht unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub in die Kanzlei zurückkehren dürfen, sondern frühestens ab Vorliegen eines Negativattests. Daraus ergeben sich nicht nur organisatorische Konsequenzen, sondern auch diverse arbeitsrechtliche Fragen – insbesondere zur Vergütungszahlung – die derzeit nur zum Teil geklärt sind.

II. Fragerecht des Arbeitgebers und Auskunftspflicht der Mitarbeiter

Besteht grundsätzlich kein Recht, Auskunft über den Urlaubsort der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verlangen, gilt in diesem Fall eine Ausnahme. Insbesondere aus der Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber ggf. anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch im Hinblick auf die sich bei einer Quarantäne für die Kanzlei ergebenden organisatorischen Fragen folgt auch ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Reiseziel, zumindest danach, ob es sich dabei um ein gemäß der aktuellen Liste des RKI ausgewiesenes Risikogebiet handelt. Dies gilt sowohl nach Reiserückkehr als auch vor Urlaubsantritt.

Diesem Fragerecht gegenüber steht auch eine sich aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht ergebende Mitteilungspflicht der Kanzleimitarbeiter.

III . Entschädigung oder Entgeltfortzahlung?

Auch wenn nach einem Negativattest die Arbeit schnell wieder aufgenommen werden kann, stellt sich dennoch die Frage nach der Vergütung für die Zeit der Quarantäne, falls diese nicht durch individuelle Absprachen (z.B. über den Abbau von Überstundenguthaben) oder Arbeit im Homeoffice überbrückt werden kann.

Weitestgehend Einigkeit besteht, dass für die Zeit der Quarantäne weder ein Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber bestehen dürfte noch ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG, wenn bei Reiseantritt bekannt war, dass es sich beim Reiseziel um ein Risikogebiet handelte.

Nicht explizit geregelt und derzeit noch heftig in der Diskussion ist aber, wie es sich verhält, falls das Reiseland erst während des Aufenthaltes dort zum Risikogebiet erklärt wird und daher anschließend bis zum Vorliegen des Testergebnisses oder Ablauf der 14-Tages-Frist eine Quarantänepflicht besteht, obwohl man weder selbst erkrankt ist noch Kontakt zu einer infizierten Person hatte:

Für einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG spricht, dass gemäß § 32 IfSG ein Tätigkeitsverbot auch durch Rechtsverordnung der Länder angeordnet werden kann. Aus diesem Grund gewähren zwar einige Landesbehörden eine Entschädigung, aber nur soweit im Arbeitsvertrag die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach § 616 BGB nicht ausgeschlossen ist. Danach ist die Vergütung weiter zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer durch einen in seiner Person liegenden Grund für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ohne sein Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist. Sieht man – obwohl dieses auf einer für alle geltenden Verordnung beruht – in dem Tätigkeitsverbot dennoch einen „in der Person liegenden Grund“, dürfte bei einer zweiwöchigen Quarantäne jedoch nicht mehr von einer nur „vorübergehenden“ Verhinderung auszugehen sein. Anders zu bewerten ist dies aber bei einer nur bis zum Vorliegen eines Negativattests kurzen Zeitspanne. Handelt es sich dabei nur um wenige Tage bis zu ca. 1 Woche, liegt dies noch in dem Rahmen, der üblicherweise noch als entgeltpflichtiger Zeitraum i.S.v. § 616 BGB angesehen werden kann.

Ist im Arbeitsvertrag – was zulässig ist – § 616 BGB nicht ausgeschlossen, muss daher bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten mit einer Entgeltfortzahlungspflicht für die Zeit der Quarantäne bis zum Vorliegen des Testergebnisses gerechnet werden, wenn dieser Zeitraum ca. 1 Woche nicht überschreitet.

 

Kammerton 08/09-2020