BRAK unterstützt Beschwerde vor dem EGMR gegen die E-Mail-Überwachung durch den BND

Antrag der BRAK vom 23.02.2021 auf Drittbeteiligung an der Individualbeschwerde RA Niko Härting ./. Bundesrepublik Deutschland          

Die Bundesrechtsanwaltskammer hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 23.02.2021 beantragt, im Verfahren des Berliner RA Niko Härting gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Überwachung des E-Mail-Verkehrs als Drittbeteiligte gem. Art. 36 Abs.2 EMRK zugelassen zu werden.  RA Härting war bisher mit seiner Klage für „Reporter ohne Grenzen“ gegen den BND und deren strategische Fernmeldeüberwachung ohne Erfolg geblieben: Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2016 die Klage abgewiesen und das Bundesverfassungsgericht hatte 2017 die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Kläger nicht nachweisen könnten, ob sie von der Überwachung betroffen seien. Sowohl die „Reporter ohne Grenzen“ (Application no. 81993/17) also auch RA Niko Härting (Application no. 81996/17) haben daraufhin Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt.

 

Beschwerdeführer macht Verletzung von Art. 8. EMRK und Art. 13 EMRK geltend

RA Härting macht die Verletzung von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch Massenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief,- Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G10) geltend. Der Bundesnachrichtendienst schalte sich in Internetleitungen ein und durchsuche jährlich mehrere Millionen E-Mails anlassunabhängig geheimdienstlich und systematisch nach Schlagwörtern. Dabei würden täglich tausende Treffer erzielt und diese E-Mails dann von BND-Mitarbeitern gelesen.

Nach Mitteilung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages wurden im Jahr 2012 mehr als 850.000 E-Mails ausgelesen. Dabei erscheint die vom BND verwendete Filtermethode anhand der Top Level Domain (.de) ungeeignet, um die inländische Korrespondenz, für die der BND nicht zuständig ist, auszufiltern.

Beschwerdeführer Härting führt aus: Das BND treffe keine Vorkehrungen, um zu vermeiden, dass dem Anwaltsgeheimnis unterliegende E-Mails gelesen werden. Außerdem stehe ihm kein wirksames Rechtsmittel im Sinne von Art. 13 EMRK zur Verfügung, um sich über eine Verletzung durch das Abfangen und Lesen von E-Mails durch den Bundesnachrichtendienst zu beschweren. Er könne nicht nachweisen, ob er vom BND überwacht werde, da dies heimlich geschehe. Nach dem hier zu prüfenden Artikel-10-Gesetz sei eine Benachrichtigung der Betroffenen gesetzlich nur in wenigen Ausnahmefällen vorgesehen, tatsächlich aber keine einzige Benachrichtigung bekannt geworden.

 

Fehlender effektiver Rechtsschutz

Die Bundesrechtsanwaltskammer verdeutlicht in der Begründung des Antrags auf Drittbeteiligung, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Praxis deutscher Geheimdienste mit derjenigen US-amerikanischer Geheimdienste vergleichbar sei, deretwegen der EuGH im Urteil Schrems II vom 16.07.2020 (Rechtssache C-311/18) das Fehlen angemessener Datenschutz-Vorkehrungen attestierte. Der EuGH hatte dies mit damit begründet, dass nach dem US-amerikanischen Recht und nach den Bestimmungen des Privacy Shield-Abkommens zwischen der EU und den USA ausreichende Rechtsbehelfe der Betroffenen nicht zur Verfügung stünden.

Die BRAK ergänzt, auch das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 19.05.2020 (1 BvR 2835/17) festgestellt, dass grundsätzlich auch gegenüber Geheimdiensten Auskunftsansprüche Betroffener bestünden. Wenn dies aus zwingenden Gründe unterbleiben müsse, sei eine dichte objektiv-rechtliche Kontrolle als Kompensation zu gewährleisten.

 

BRAK: Berufsrechtliches Dilemma

In berufsrechtlicher Hinsicht erläutert die Bundesrechtsanwaltskammer, dass auch nachdem mit der Ergänzung des § 2 Abs. 2 BORA den Anforderungen einer schnellen elektronischen Kommunikation Rechnung getragen worden sei, bei der vom Beschwerdeführer geschilderten Situation in berufsrechtlicher Hinsicht ein Dilemma bestehe.

Wenn und soweit bei der elektronischen Kommunikation davon ausgegangen werden müsse, dass die E-Mail-Korrespondenz anlasslos durchgescannt und dabei ggf. auch die rechtsanwaltliche Korrespondenz herausgefiltert werde, sei im Hinblick auf die Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu befürchten, dass ohne entsprechenden Rechtsschutz diese Form der Kommunikation unmöglich gemacht werde. Nur mit einem effektiven Rechtsschutz bestehe für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei entsprechenden Verdachtsmomenten die Möglichkeit, Rechtsmittel zu ergreifen und den Schutz des Anwaltsgeheimnisses zu gewährleisten.

Kammerton 04-2021