Kurzarbeitergeld und Entschädigungsansprüche

Rechtsanwältin Johanna Eyser ist Fachanwältin für Sozialrecht. Foto: Studioline
Rechtsanwältin Kati Kunze ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Foto: Lars Pillmann

Von Vizepräsidentin RAin Johanna Eyser und Präsidiumsmitglied Kati Kunze

Hinweise für die Kanzlei in der Pandemie-Krise

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Anwaltschaft sind sehr unterschiedlich. Nicht wenige Berliner Kolleg*innen verzeichnen allerdings bereits jetzt erhebliche Umsatzrückgänge, vor allen Dingen aber einen erheblichen Rückgang des Arbeitsanfalles. Zugleich ist zu erwarten, dass nach der Krise die Dienstleistungen der Anwaltschaft gefragter sein werden als je zuvor und diesen Arbeitsanfall möchte man natürlich gerne mit seinem eingearbeiteten Team bewältigen. Es geht also auch um Mitarbeiter*innen-Bindung in der Krise.

Was also tun, um die Kanzlei und sein Team weiterhin durch die Pandemie-Krise zu bringen?

Neben der Beantragung von Fördergeldern, hinsichtlich derer wir auf die Linksammlung am Ende dieses Artikels verweisen, könnte für Kanzleihaber*innen die Beantragung von Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter*innen der Kanzlei eine Option sein. Wir möchten mit diesem Artikel – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – den Versuch unternehmen, der Berliner Anwaltschaft einen groben Überblick zu geben über derzeit geltenden Erleichterungen für Arbeitgeber*innen beim Kurzarbeitergeld und die Möglichkeiten der Finanzierung von Gehältern, wenn die Mitarbeiter krisenbedingt an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gehindert sind.

I. Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld

Durch die am 1. März 2020 in Kraft getretene Kurzarbeitergeldverordnung sind die Voraussetzungen für die Beantragung von Kurzarbeitergeld erheblich herab gesetzt worden. Hiernach kann Kurzarbeit bereits dann beantragt werden, wenn nur 10 % der im Betrieb Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind. Außerdem kann auf den Aufbau von Minusstunden im Arbeitszeitkonto zur Vermeidung von Kurzarbeit vollständig oder teilweise verzichtet werden. Schließlich werden den Arbeitgebern nunmehr die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden zu 100 % erstattet. Für den Leistungsbeginn gilt nach wie vor, dass hier die Anzeige des Arbeitsgebers nach § 99 SGB III maßgeblich ist. Das Bundeskabinett hat am 29.04.2020 ein neues Sozialschutzpaket gebilligt, mit dem das Kurzarbeitergeld auf bis zu 87 % erhöht werden soll.

Kurzarbeit kann nicht einseitig angeordnet werden. Diese Möglichkeit kann aber im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Wer vorsorgen möchte, um im Notfall schnell handlungsfähig zu sein, sollte mit den Mitarbeitern über eine entsprechende Ergänzung des Arbeitsvertrages sprechen. Anderenfalls besteht natürlich auch die Möglichkeit, erst im konkreten „Kurzarbeitsfall“ das Einverständnis der Mitarbeiter dazu einzuholen.

II. Entschädigungsansprüche bei Quarantäne von Mitarbeiter*innen

Schließlich stellt sich für die Kanzleiinhaber*innen möglicherweise auch die Frage:  Wer trägt eigentlich die Kosten, wenn ein Mitarbeitender der Kanzlei seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, weil er z.B.  – ohne selbst krank zu sein – unter Quarantäne gestellt wurde? In diesem Fall kann aber ein Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bestehen. Während der ersten sechs Wochen hat zwar der Arbeitgebende diese Entschädigung auszuzahlen. Die Arbeitgeber*innen haben aber einen Anspruch auf Erstattung des fortgezahlten Gehaltes gegen den Staat. In Berlin kann dieser Erstattungsantrag über das Service-Portal der Senatsverwaltung für Finanzen online gestellt werden. Für den Antrag gilt gemäß § 56 Abs. 11 IfSG eine 3-Monats-Frist. Nach § 56 Abs. 12 IfSG kann der Arbeitgeber bei der Behörde auch einen Vorschuss beantragen.

III. Ungeklärte Rechtslage bei quarantänebedingter Schließung der gesamten Kanzlei

Schwieriger ist die Situation, wenn die gesamte Kanzlei unter Quarantäne steht. Kann der Kanzleibetrieb dann nicht im Homeoffice aufrechterhalten werden, bedeutet die Quarantäneanordnung faktisch unter Umständen eine vorübergehende Kanzleischließung.

Die Entschädigungen des IfSG besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich für Tätigkeitsverbote, d.h. für Personen, denen es u.a. pandemiebedingt verboten ist, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen und die deshalb einen Verdienstausfall erleiden. Für Betriebsschließungen gibt es keine Regelungen im IfSG.

Überwiegend wurde bisher vertreten, dass daher in diesen Fällen kein Entschädigungsanspruch bestehe, sondern die Situation unter das sog. Betriebsrisiko des Arbeitgebers falle. Nach den Mitteilungen der Arbeitsagentur kann eine behördlich vorübergehend angeordnete Betriebsschließung zumindest ein Grund sein, der zum Bezug von Kurzarbeitergeld berechtigt (https://www.arbeitsagentur.de/news/corona-virus-informationen-fuer-unternehmen-zum-kurzarbeitergeld).

Es mehren sich aber die Stimmen, die in § 56 IfSG aufgrund des Zwecks der Vorschrift ebenfalls einen Entschädigungsanspruch für Betriebsschließungen sehen. Wie sich die Rechtslage dazu entwickelt ist aber ungewiss. Möchten Kanzleiinhaber*innen die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen dennoch versuchen, sollte die 3-Monats-Frist im Blick behalten werden.

IV. „Corona-Elterngeld“

Seit dem 30. März 2020 gibt es nunmehr grundsätzlich auch einen Erstattungsanspruch nach § 56 Abs. 1 a IfSG für die Mitarbeiter*innen, die wegen der behördlichen Schließung von Schulen oder Kindertageseinrichtungen ihre Kinder betreuen müssen und daher an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gehindert sind. Derzeit ist der Anspruch auf höchstens 6 Wochen und monatlich 2.016,00 EUR monatlich begrenzt. Ob es dazu in Zukunft Anpassungen geben wird, ist nicht absehbar.

In Zukunft dürfte sich allerdings zumindest dieses Problem für Mitarbeitenden in Anwaltskanzleien entschärfen, da diese Mitarbeiter*innen nunmehr in Berlin als systemrelevant eingestuft wurden, wodurch sie einen Anspruch auf einen Notbetreuungsplatz haben.

V. Vereinfachte Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen

Gemäß Mitteilung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) mit  Rundschreiben vom 24.03.2020 (https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/grundprinzipien_1/finanzierung/beitragsbemessung/20200325_Hintergrund_Beitragsstundung.pdf) besteht unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit der Stundung der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate März bis Mai 2020, ohne dass Stundungszinsen berechnet werden oder es hierfür einer Sicherheitsleistung bedarf.

Neben dem Wunsch, dass Ihre Kanzleien in wirtschaftlicher Hinsicht möglichst unbeschadet durch die Pandemie kommen mögen, wünschen wir vor allen Dingen eines: Bleiben Sie gesund oder werden sie es ganz schnell wieder!

Eine Übersicht zu den weiteren Möglichkeiten staatlicher Unterstützung finden Sie hier.

Kammerton 04-2020