Fragen an
Michael Rudnicki und
Axel Weimann
nach 20 Jahren im Vorstand

Vier Vorstandsmitglieder, deren Amtszeit im Jahr 2021 endet, kandidieren nicht wieder und setzen ihre Vorstandsarbeit nicht fort:  Rechtsanwältin Barbara Helten (Abteilungen III und IV), seit vier Jahren im Vorstand, RA Dr. Niklas Auffermann (Abteilung I), seit 2013 Vorstandsmitglied, und die beiden Vorstandsmitglieder Axel Weimann und Michael Rudnicki, die 20 Jahre lang dem Vorstand angehört haben.

Der Kammerton bat diese beiden Vorstandsmitglieder um einen Rückblick auf zwei Dekaden im Kammervorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin.

 

Kammerton:

Herr Rudnicki, Herr Weimann, Sie beide verlassen nach 20 Jahren Mitgliedschaft im März den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin. Ist eine runde Zahl Grund genug dafür, den Vorstand zu verlassen?

Rudnicki:

Nein, runde Zahlen sind Anlass für Feiern oder Gedenken. Dafür, nicht erneut zu kandidieren, habe ich andere Gründe. Ich bin dankbar, dass ich über so viele Jahre mit meinem ehrenamtlichen Engagement an der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft mitwirken durfte. Und meiner Einschätzung nach ist es mir bislang gelungen, dem mir übertragenen Amt einigermaßen von Nutzen gewesen zu sein. Es gibt ein paar Ideen und Projekte, denen ich in Zukunft mehr Aufmerksamkeit widmen möchte.

 

Rechtsanwalt Michael Rudnicki

 

Weimann:

Als ich 2001 zum ersten Mal für den Kammervorstand kandidierte, war ich seit 9 Jahren Anwalt und seit 4 Jahren selbständig. Ich dachte damals, es ist an der Zeit, sich nicht nur um das eigene Vorankommen zu kümmern, sondern mich auch mit einem Teil meiner Zeit und Energie ehrenamtlich in den Dienst der Anwaltschaft zu stellen. Das habe ich dann über 20 Jahre lang gerne getan, finde aber, dass es nun auch an der Zeit ist, den Staffelstab weiterzugeben.

 

Sie beide waren in den letzten acht Jahren Abteilungsvorsitzende und damit Präsidiumsmitglieder. Inwieweit hat sich dadurch Ihre Arbeit geändert? Waren diese 8 Jahre interessanter als die ersten 12 Jahre?

Rudnicki:

Mit der Verantwortung für die Arbeit einer Abteilung und die Mitwirkung im Präsidium sind die Herausforderungen gewachsen. Dennoch würde ich die ersten zwölf Jahre nicht als weniger interessant bewerten. Ich kann mich gut an den Beginn meiner Tätigkeit nach meiner ersten Wahl 2001 erinnern. Organisation, Strukturen, Prozesse des Vorstands waren mir gänzlich unbekannt. Es gab viel Neues und Interessantes kennenzulernen und zu verstehen. In den ersten Vorstands- und Abteilungssitzungen sind mir viele bis dahin unbekannte Themen und Fragestellungen begegnet. Das war sehr spannend. Auch wenn der Reiz des Unbekannten über die Jahre abnehmen musste, so bot die Arbeit im Vorstand doch stets Gelegenheit zu lernen.

Weimann:

Dem stimme ich voll und ganz zu. Man gewinnt durch die Zugehörigkeit zum Präsidium natürlich einerseits auch einen noch tieferen Einblick in das Innenleben der Kammer, ist an Personal- und Gehaltsentscheidungen beteiligt, wird sich andererseits aber auch noch mehr der Verantwortung für die Geschicke der Anwaltschaft bewusst.

 

Herr Weimann, die Abteilung I, deren Mitglied Sie durchgehend waren, ist für die Fachanwaltssachen zuständig. Haben sich die Schwerpunkte in den Fachanwaltssachen in den letzten 20 Jahren geändert?

Weimann:

Abgesehen davon, dass im Laufe dieser beiden Jahrzehnte eine ganze Reihe weiterer Fachanwaltschaften hinzugekommen sind, was unsere Tätigkeit nicht nur umfangreicher, sondern auch durchaus interessanter gemacht hat, tut sich in den letzten Jahren und pandemiebedingt insbesondere in diesem und im vergangenen Jahr sehr viel im Online-Bereich der Fachanwalts-Kurse und -Fortbildung. Ansonsten ist in der Zuständigkeit der Abt. I ja die Zuständigkeit für die Geldwäscheaufsicht hinzugekommen – was ehrlich gesagt ein bisschen mit Grund war, nicht nochmals zu kandidieren, da mir der Hang zum Verfolgen fehlt.

 

Rechtsanwalt Axel Weimann

 

Herr Rudnicki, die Abteilung VI, der Sie bis 2013 angehörten, ist für die Zulassungen zuständig. Die Abteilung V, die Sie seit 2013 leiten, ist für das Werberecht zuständig. Mit welchen wichtigen Änderungen waren Sie in diesen Abteilungen befasst?

Rudnicki:

Als Mitglied der Zulassungsabteilung war ich an der über Jahre hinweg geführten Diskussion über die berufsrechtliche Behandlung von Syndikusanwälten beteiligt. Auch nach meinem Ausscheiden aus der Abteilung VI hat mich das Thema weiterhin beschäftigt. Es gab dann die drei Entscheidungen des BSG im April 2014, die die Diskussion um eine Änderung der BRAO befeuert haben.

In der Abteilung V mit ihren Zuständigkeitsbereichen anwaltliches Werberecht, UWG und RDG hat mich das Thema Legal Tech viel beschäftigt. Die nach meinem Dafürhalten bedeutsamste Veränderung hat Ende 2019 die Entscheidung des BGH dazu bewirkt. Vom BGH selbst als Grundsatzentscheidung zur Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes bewertet, hat besagte Entscheidung das Potenzial, die gesellschaftliche Vorstellung davon, was einen freien Advokaten ausmacht, komplett zu revidieren.

 

Welches waren die wichtigsten Themen, mit denen sich der Gesamtvorstand seit 2001 befasst hat?

Rudnicki:

Ich habe die elektronisch geführte Kommunikation und Aktenführung, die Einflussnahme der Rechtsschutzversicherer auf das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten, die Einführung des beA , die Zulassung der Syndikusrechtsanwälte und den Einfluss von Legal Tech auf das Kulturgut der freien Advokatur als bedeutsam begriffen. Von großer Brisanz dürften auch in Zukunft die Begehrlichkeiten der Versicherungswirtschaft und der Einfluss von Legal Tech auf den Markt bleiben.

Weimann:

Auch mir wird vor allem die Einführung des beA mit allen vorausgegangenen Kontroversen sowie der Syndikusanwaltschaft und das damit einhergehende Zusammenfinden mit den erstmals 2015 in den Vorstand gewählten Syndikusanwält:innen in Erinnerung bleiben; daneben sicher auch die einjährige Evaluation, die wir zu der Frage durchgeführt haben, ob das Robetragen nach Aufhebung der Bestimmung über die Amtstracht an Berliner Gerichten weiterhin üblich ist – was der Fall war.

 

Wie haben Ihnen die 20 Jahre im Kammervorstand gefallen?

Weimann:

Ich wäre nicht 20 Jahre dabeigeblieben, wenn es nicht auch interessant gewesen wäre und Spaß gemacht hätte. Es ist eine bewusste Entscheidung aufzuhören – aber ich bin sicher, dass ich spätestens dann am 2. Mittwoch eines Monats etwas vermissen werde, wenn die Sitzungen wieder in Präsenz und nicht virtuell stattfinden.

Rudnicki:

Die Entscheidung, mich zur Wahl zu stellen, habe ich stets freiwillig getroffen. Aufopferung war nicht mein Motiv. Ich wollte dabei sein. Gut informiert sein. Mitreden. Verantwortung tragen. Gestalten. Insofern bin ich voll und ganz auf meine Kosten gekommen. Aber das Wichtigste: Mit einigen der Menschen, denen ich im Vorstand begegnen durfte, verbindet mich heute eine wunderbare Freundschaft. Das ist das größte Geschenk, das ich mitnehme. Also mir hat es gefallen.

 

Kammerton 03-2021