RA Thomas Krümmel, Vorsitzender des Fachanwaltsausschusses Internationales Wirtschaftsrecht, antwortet

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RA Thomas Krümmel, LL.M., ist Vorsitzender des Fachanwaltsausschusses Internationales Wirtschaftsrecht der Rechtsanwaltskammer Berlin. Er ist Partner in der Berliner Kanzlei der überörtlichen Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater. Vor seiner anwaltlichen Tätigkeit hat er als Rundfunksprecher und -journalist gearbeitet. Krümmel ist als „Chevalier dans l’ordre national du mérite“, d.h. mit dem Nationalen Verdienstorden Frankreichs ausgezeichnet worden.

 

Warum sind Sie Rechtsanwalt geworden?

Ich studierte Jura, weil ich unentschlossen war und jemand sagte, ein deutscher Jurist könne alles. Unzählige Gutachten über uninspirierte Rechtsverhältnisse zwischen zwei Leuten namens A und B. Später fiel mir ein, dass ich bei der Bundeswehr Rundfunksprecher gelernt hatte. Nach fünf Jahren Tag und Nacht vor allen Kölner Mikrofonen wurde ich Rechtsanwalt, als ich herausfand, dass A und B richtige Menschen mit richtigen Problemen waren, für deren Lösung sie mir richtiges Geld zu zahlen bereit waren. Am meisten aber reizt mich bis heute die Chance, als Anwalt wenigstens winzige Stücke einer gnadenlos chaotischen Welt in Ordnung zu bringen.

 

Ihre Vorbilder in der Anwaltschaft?

Mein zu früh verstorbener Ausbilder und späterer Sozius Gert-Iro Stamp-Ilk, der mir fast alles beigebracht hat, worin ich heute als Anwalt gut bin. Mein Mentor und Freund Friedrich Graf von Westphalen, der wie kaum ein anderer Brillanz und Bodenhaftung in Einklang zu bringen vermag. Am meisten aber die Kolleginnen und Kollegen, die sich aus dem Nichts, mit eigener Kraft, ohne fremde Unterstützung, mit vollem Risiko bemerkenswerte und erfolgreiche berufliche Existenzen aufgebaut und trotz aller erbarmungslosen Hobelzüge des Lebens auf dem eigenen Rücken nie aufgehört haben, feine, integre Menschen zu sein.

 

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Rechtsanwältin oder ein guter Rechtsanwalt haben?

Erstens, menschliche Größe: Verlieren können, als Gewinner nicht nachtreten, den anderen sein lassen. Zweitens, Lebensnähe: Statt seitenlanger, unverständlicher, schlechte Nachrichten verbrämender Elogen den sicheren Blick auf die Interessen des Mandanten und klare, praktikable Antworten auf „Und was mache ich jetzt?“ Drittens, eine gute generalistische Ausbildung: Immer zumindest sicher wissen, wo man nachschlagen muss.

 

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

Nur denjenigen, die das wirklich wollen. Die für diese Tätigkeit brennen. So sehr, dass sie bereit sind, den zumeist selbstverschuldeten Notsituationen zumeist undankbarer Auftraggeber ein endloses Berufsleben lang die meisten Wochenenden, unzählige Nächte, Zeit mit der Familie und dringend benötigte Urlaubstage zu opfern. Aber nicht denjenigen, die „was Spannendes tun“, „den Menschen helfen“ oder „mal reinschnuppern“ wollen, was auf dem heutigen Rechtsmarkt ebenso ins Auge geht wie in sehr vielen Fällen die sog. „Work-Life-Balance“.

 

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?

Ich finde den berufsrechtlichen Acquis grundsätzlich gut, so wie er ist. Er bewahrt die Alleinstellungsmerkmale unserer Profession – Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen – und sichert Qualität auf einem umkämpften Rechtsmarkt. Doch gewissen Sitten und Gebräuchen müssen wir zu Leibe rücken. Zum Beispiel der Robenpflicht. Eine Anwältin muss man vor Gericht an Kompetenz, Eloquenz und Ausstrahlung erkennen, nicht daran, dass sie als Pinguin verkleidet ist. Und muss ich wirklich auch einem Berufsgenossen, den ich für einen menschlichen Totalausfall halte, die Ehre der Anrede mit „Herr Kollege“ erweisen?

 

Worum geht es Ihnen bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in nächster Zeit?

Möglichst vielen, in dieser für mich schönsten Disziplin qualifizierten Kolleginnen und Kollegen zur Fachanwaltsbezeichnung „Internationales Wirtschaftsrecht“ zu verhelfen und so den Anwaltsmarkt zu bereichern und weiter zu profilieren.

 

Was war Ihr Beweggrund für dieses Ehrenamt?

Ich gehöre zu denjenigen, die sich für die Einführung dieses Fachanwaltstitels stark gemacht haben, und möchte meinen Beitrag zum Erfolg unserer Initiative leisten.

 

Wieviel Zeit benötigen Sie für diese Aufgabe?

Viel zu wenig. Wir haben in Berlin auf über 14.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte genau 14 Fachanwältinnen und Fachanwälte für Internationales Wirtschaftsrecht.

 

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?

Zum Sitzen und Abwarten. Vor allem, was ihre Rolle im fortschreitenden europäischen Einigungsprozess angeht. Und dazu, in endlosen Arabesken darüber zu diskutieren, wer ihre Interessen besser vertritt: „Kammer“ oder „Verein“.

 

Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Nein. Ich bin mit meinem Netzwerk in der Wirklichkeit voll ausgelastet.

 

Was macht Sie wütend?

Dummheit, Arroganz und jedes Mischprodukt aus beiden. Und Menschen, die mit mir eine großartige, unermesslich reiche Muttersprache teilen, aber nur noch mit erbärmlichen Fetzen von grottenfalschem Flughafenenglisch um sich werfen, um wichtig zu erscheinen.

 

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel versehen?

Den kulturellen und linguistischen Achterbahnfahrten aus 30 Jahren Arbeit mit Mandanten, Gegnern, Vertragspartnern und Kollegen aus allen fünf Kontinenten. Es würde ein zum Brüllen lustiges Werk, bekäme den Titel Please Pardon My Professional Secrecy, und genau deshalb wird es nie erscheinen.

 

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?

Den elektronischen Rechtsverkehr. Wenn er denn einmal ohne millionenfache, ungehemmt und klimaschädlich in die Fläche versandte Papierausdrucke bei den Gerichten funktionieren wird.

 

Mit wem würden Sie gerne einen Tag die Rolle tauschen?

Mit dem Kapitän des wundervollen Stückgutfrachters „Cap San Diego“, heute schmuckes Museumsschiff, als er noch im Linienverkehr zwischen Hamburg und Südamerika fuhr. Mit dem deutschen Botschafter in Beijing; hilfsweise mit dem deutschen Botschafter in Port-of-Spain, Trinidad und Tobago. Mit dem Generalsekretär des Vatikans.

 

Haben Männer es in ihrem Beruf leichter als Frauen?

Ja. Einiges scheint sich langsam zu ändern, aber die Kollegin, die gleich gut oder besser qualifiziert ist, arbeitet doppelt so hart wie ich, um den gleichen Erfolg zu erzielen, bekommt viel weniger Geld und sieht sich so oft von Seiten ihrer männlichen Kollegen und Mandanten stereotyper Herablassung ausgesetzt, die ebenso archaisch wie dumm wie unfair ist. Auch tolle Sternchenschreibweise und irgendwelche Quoten helfen so lange nicht, wie wir Anwälte nicht bereit sind, den Gedanken zuzulassen, dass Anwältinnen uns in vieler Hinsicht objektiv überlegen, oder zumindest auch nicht schlechter sind als wir.

 

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?

Sowohl als auch: Humor. Ich habe schon viel dadurch erreicht, dass ich mich selbst nicht allzu ernst nehme und den meisten Dingen irgendetwas Komisches abgewinnen kann. Aber man sagt mir nach, dass ich für einen gelungenen Scherz meine Karriere aufs Spiel setzen würde. – Und sowohl als auch: Sturheit. Sie macht mich gründlich, ausdauernd, loyal, leidensfähig. Aber sorgt dafür, dass ich Veränderungen und Neuerungen oft genug schwer akzeptiere, und manchmal so flexibel bin wie ein Stück Treibholz.

 

Ihr größter Flop?

Der Versuch, an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn eine juristische Doktorarbeit zu schreiben. Nein, viel schlimmer: als Kind zehn Jahre Klavierunterricht bekommen zu haben und heute nicht eine Note mehr spielen zu können.

 

 

Kammerton 01/02-2021