Der gefährliche Kampf für die Menschenrechte im Iran
Von Ursula Groos, stellvertretende Menschenrechtsbeauftragte der RAK Berlin
Zum 14. Internationalen Tag des*r bedrohten Anwält*in am 24.01.2024, rief die Kammer gemeinsam mit einem europäischen und weltweiten Netzwerk aus Anwaltskammern und Anwält*innenorganisationen dieses Jahr zu einer Kundgebung vor der Botschaft der Islamischen Republik Iran auf.
Wie jedes Jahr geht es darum, auf die prekäre bis lebensbedrohliche Situation aufmerksam zu machen, in der die Kolleg*innen ihre Arbeit verrichten, und sich solidarisch zu zeigen.
Wie wir wollen sie lediglich ihren Beruf ausüben, die Interessen ihrer Mandant*innen vertreten und diese dabei unterstützen, Zugang zum Recht zu erhalten. Aber die Kolleg*innen erhalten entweder nicht ausreichend Schutz vor Übergriffen von Dritten oder werden direkt von Staatsorganen verfolgt, bedroht, misshandelt, getötet oder ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Existenz beraubt. Letztere, also staatliche Übergriffe auf die Kolleg*innen, sind im Iran vielfach dokumentiert.
Während der Kundgebung am 24.01.2024 in Berlin wurden Redebeiträge aus der Berliner Anwaltschaft von der Kollegin Nasrim Karimi und dem Kollegen Dr. Peer Stolle, letzterer auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) gehalten. Zum Redebeitrag der Kollegin Nasrim Karimi
Sehr eindrücklich und ausführlich wird die Situation unserer iranischen Kolleg*innen in dem lesenswerten Report der Stiftung „The Day of the Endangered Lawyer“ geschildert. Darin wird einerseits die Entwicklung der Situation im Iran generell dargestellt und andererseits werden zahlreiche Einzelschicksale geschildert, die erschüttern. Schicksale von Kolleg*innen, die ihre Existenz verlieren, in Haft misshandelt werden und danach sterben. Alles Vorgänge, die (selbst) nach geltendem iranischen Recht rechtswidrig sind.
Dass es ein geltendes iranisches Recht gebe und in verschiedenen Bereichen auch angewendet werde, davon berichtete der iranische Kollege Sina Yousefi im Rahmen der Informationsveranstaltung am 23.01.2024, am Vorabend des Tags des*r bedrohten Anwält*in, in den Räumen der Kammer. Eingeladen dazu hatten die RAK Berlin, der Deutsche Anwaltverein und der RAV, um über die Situation im Iran zu informieren. Moderiert wurde die Veranstaltung von Daniela Sepheri.
Der Kollege Stefan von Raumer, Vizepräsident des DAV, wies in seinem Grußwort unter anderem darauf hin, dass er in seiner Funktion immer mehr Protest- und Solidaritätsschreiben für Kolleg*innen weltweit versende, was ein deutliches Zeichen dafür sei, dass die Achtung der Menschenrechte und der UN-Basic Principles on the Role of Lawyers abnehme. Dies sei besorgniserregend und die unmittelbaren Folgen seien jetzt auch im Iran zu beobachten.
Dr. Peer Stolle informierte in seinem Grußwort über das Schicksal des inhaftierten Menschenrechtsanwalts Amirsalar Davoudi. Der RAV habe die Patenschaft für diesen Kollegen übernommen, weil es wichtig sei, sich solidarisch zu zeigen und die internationale Aufmerksamkeit den Inhaftierten einen gewissen Schutz böte.
Die stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte der RAK Berlin, Rechtsanwältin Ursula Groos, brachte ihre Hochachtung zum Ausdruck für den Mut, mit dem viele Kolleg*innen seit Jahrzehnten im Iran den Kampf um die Menschenrechte tagtäglich führten und dabei alles riskierten.
Sie betonte, dass es sich dabei um einen Kampf für die Iraner*innen und gleichzeitig für alle Menschen handele. Denn die Menschenrechte würden und blieben geschwächt, wenn und solange deren Ausübung auch nur einem Menschen vorenthalten werde.
Der Kollege Sina Yousefi berichtete von seinen beruflichen Erfahrungen als Strafverteidiger und vom geltenden iranischen Recht, das angewendet werde solange es sich nicht um einen sogenannten „politischen Fall“ handele. Wann ein „politischer Fall“ vorliege, werde nicht definiert, sondern unterläge vielmehr der Auslegungshoheit der Revolutionsgarde und Revolutionsgerichte. Dann gebe es für die Beschuldigten keinen Anspruch auf eine*n frei gewählte*n Verteidiger*in. Selbst wenn es ihren Familienangehörigen gelänge, eine*n frei gewählte*n Verteidiger*in zu engagieren, erhielten diese in der Regel keinerlei Akteneinsicht oder würden vor Gericht nicht zugelassen. Trotz dieser widrigsten Umstände habe er es immer wieder versucht, seinen inhaftierten Mandant*innen beizustehen. Dies versuchten zahlreiche Kolleg*innen im Iran immer noch täglich. Der Kollege Yousefi war aufgrund seiner anwaltlichen Tätigkeit auch für Menschen, die als „politische Fälle“ eingestuft wurden, 2023 selbst inhaftiert worden. Er sah sich daraufhin gezwungen, den Iran zu verlassen. Ihm gelang die Flucht nach Deutschland und er lebt aktuell in Berlin.
Der Kollege Yousefi berichtete, dass es teilweise sogar gelänge, Urteile durch ein höheres Gericht aufheben und zur Neuverhandlung an eine andere Kammer verweisen zu lassen. Aber es gebe wenig Sicherheit, dass das auch erfolge. Manchmal sorgten die Revolutionsgarden schlicht für Fakten – bevor ein anderes Gericht entscheide oder sogar trotz eines anderslautenden Urteils. So waren in der Nacht vor der Veranstaltung am 23.01.2024 mehrere Menschen hingerichtet worden, deren Todesstrafe zuvor aufgehoben worden waren. Die Urteile seien aber nicht im Sinne der Revolutionsgarden gewesen und so seien die Verurteilten kurzerhand hingerichtet worden. Für ein solches Vorgehen gebe es im Iran keinerlei Rechtsgrundlage, so Yousefi.
Auf die Frage, was wir als Berliner Anwaltschaft zur Unterstützung der inhaftierten und bedrohten Kolleg*innen im Iran tun könnten, bestätigte Sina Yousefi, dass es internationale Aufmerksamkeit sei, die dringend benötigt werde und Schutz böte.
Yousefi teilte am 18. Februar 2024 mit, dass nun Anwalt Khosrow Alikordi zur Verbüßung einer einjährigen Haftstrafe in das Gefängnis in Mashhad gebracht worden sei. Mit der Vollstreckung der Gefängnisstrafe für Khosro Alikordi sei die Zahl der inhaftierten Kolleg*innen auf fünf Personen gestiegen. Amir Salar Davodi, Mohammad Najafi, Arash KeyKhosravi, Jalal Fatemi und Khosrow Alikordi seien derzeit im Gefängnis. Auch eine weitere Gruppe von Anwälten warte auf die Vollstreckung der Haftstrafe. Außerdem, so Yousefi, habe nun vor dem Teheraner Revolutionsgericht die zweite Sitzung des Prozesses gegen die Kollegen Seyyed Mehdi Karimi Farsi und Abuzar Nasralhi wegen Propaganda gegen das Regime stattgefunden.