RA Georg C. Schäfer, Mitglied des Berufsbildungsausschusses, antwortet

Rechtsanwalt Georg C. Schäfer

Rechtsanwalt Georg C. Schäfer ist seit 1997 zugelassener Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht (2001) und Fachanwalt für Arbeitsrecht (2002). Seit dem 01. August 2019 ist er Mitglied im Berufsbildungsausschuss der Rechtsanwaltskammer Berlin und wurde dort zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Er war Betriebsratsvorsitzender, Tarifkommissionsmitglied, ehrenamtlicher Richter bei der 18. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin und Notariatsverwalter. Derzeit ist er überwiegend im Strafrecht tätig, als Strafverteidiger, Pflichtverteidiger, Nebenklagevertreter, Zeugenbeistand, Geschädigtenvertreter und Verteidiger im Maßregelvollzug.

 

Warum sind Sie Rechtsanwalt geworden?

Meine Mutter musste Zahnärztin werden, weil ihr früh verstorbener Vater auch Zahnarzt gewesen war und ihre Mutter mit Not und aller Macht die Praxis auf dem Dorf für sie frei hielt, als ihre eigene Alterssicherung und Geldverdienstquelle. Für sie der schlimmste Beruf der Welt. Sie wäre gerne Lehrerin geworden. Ihren fünf Kindern ließ meine Mutter daher (fast) jede Freiheit der Berufswahl. Voraussetzung war allerdings, wegen der Reputation im ländlichen Sozialgefüge, ein Studium. Einer meiner Brüder wurde damit beinahe so unglücklich wie sie selbst mit der Berufswahl. Er studierte und wäre doch als genialer Bastler aufgegangen in seinem Traumberuf: Kfz-Mechaniker. Ich hatte eine Sonderheit, so wie alle männlichen Linkshänder aus dem mütterlichen Zweig meiner Familie. Zwei davon waren unstudiert Bürgermeister bei uns im Dorf gewesen. Einer wurde Dr. rer. pol. Der Bruder meiner Mutter Dr. jur., Staatssekretär und MdB. Da dachte ich, diese kennend: wenn die das können, kannst du das auch. Außerdem wollte ich wissen, was richtig ist. Das war der Beginn. Der Rest fand sich.

 

Ihre Vorbilder in der Anwaltschaft?

Tagtäglich habe ich weniger mit Anwaltskollegen, vielmehr mit Richtern und Staatsanwälten zu tun. Es gibt den richtigen Satz: gib einem Menschen Macht und du lernst seinen Charakter kennen. Das trennt die Spreu vom Weizen. Anwälte sind Berater und haben regelmäßig nicht die Macht eines Richters und sind daher von Berufs wegen zur Gründlichkeit, zum Erkennen der Richtigkeit von Grund auf, erzogen, damit das Machbare und Wünschenswerte Wirklichkeit wird. Bei den Anwälten: zunächst meine Frau und dann Eilert Osterloh, den ich zufällig im Urlaub traf. Wir stiegen auf den Vesuv. Er war zuvor Präsident der RAK beim BGH und gemeinsam mit seinem Bruder BGH-Anwalt. Auf der Homepage stand: Leider dürfen wir Sie nicht am Bundesverfassungsgericht vertreten, weil eine gemeinsame Schwester dort Richterin ist. Bei den Richtern haben mich besonders positiv beeindruckt: Renate Möcke, Günther Sander und Ingeborg Tepperwien. Bei Frau Dr. Tepperwien war ich, noch als Student, dem das Jura-Studium zu trocken und zu wenig praxisnah war, als Jugendschöffe tätig.

 

Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Rechtsanwältin oder ein guter Rechtsanwalt haben?

Empathie, Empathie, Empathie. Als westfälischer Spökenkieker definiere ich Empathie, meinen Mitmenschen betreffend, so: wenn die Tränen, die bei Dir gerade aufsteigen, die ich aber noch nicht in Deinem Auge sehe, schon in meinen Augen sind – und es sind nicht meine Tränen, sondern Deine -, das ist Empathie. Allgemein gesagt: wissen was ist. Im Altertum sprach man von Sehern, heute von Spiegelneuronen.

 

Wem empfehlen Sie, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

Viele werden Juristen, weil man später noch ein weites Spektrum hat. Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Richter, Verwaltungs- und Wirtschaftsjurist oder etwa die Politik. Auch als Rechtsanwalt bleibt das Spektrum breit. Es ist ein freier Beruf und wem die Freiheit wichtig ist, der wird sich darin wohl wiederfinden und wohl wieder finden, wenn er auch Verantwortung für sich und den anderen übernehmen kann und will.

 

Welche berufsrechtlichen Vorschriften für die Anwaltschaft halten Sie für notwendig oder aber für überflüssig?

Das Tarifvertragsgesetz, im gleichen Jahr wie das Grundgesetz verabschiedet, gilt als vorbildlich. Da wurde nicht zu viel geregelt und alles auf das notwendige Mindestmaß beschränkt. Das wünsche ich mir, wenn ich berufsrechtlichen ‚Wildwuchs‘ sehe: die Beschränkung auf das Notwendige.

 

Worum geht es Ihnen bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in nächster Zeit?

Die Ausbildungssituation bei Rechtsanwaltsfachangestellten ist nicht defizitär, sie ist katastrophal. Ist da niemand, der für eine Zusammenarbeit geeignet und ausgebildet ist, weil die Geeigneten nicht ausgebildet wurden, wie soll jeder von uns richtig und effizient arbeiten?

Es geht um die Weitergabe von Kenntnissen, Erfahrungen, Einstellungen und Werten. Und an jeden Einzelnen von uns daher der Ruf, die freundliche Bitte: wir selbst wurden ausgebildet. BILDEN – WIR – AUS !!!

 

Welche Rolle spielen dabei die Ausbildungsmessen?

Jeder Beitrag hilft und damit auch die Präsenz bei jeder Ausbildungsmesse. Bei den letzten Ausbildungsmessen war ich jeweils für die RAK Berlin vor Ort und habe für den Ausbildungsberuf und für die Ausbildung geworben. Es geht um Sichtbarkeit.

 

Was war Ihr Beweggrund für dieses Ehrenamt?

Zwei Dinge. Erstens: ich sehe, dass sich bei der Ausbildungssituation dringend etwas ändern muss. Und es kann geändert werden. Wir sind nicht mehr in der Situation wie früher, wo die Bewerber zu uns kamen. Wir selbst müssen freundlich bei den Bewerbern anklopfen und die Voraussetzungen schaffen, damit ausgebildet wird. Jeder von uns darf ausbilden. Jeder Einzelne sollte es tun.

Zweitens: die Tätigkeit in einem Ehrenamt, so wie ich es etwa auch bei der ‚Strafbefehlsberatung‘, einem Gemeinschaftsprojekt der Freien Universität Berlin und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V., mache, weitet den Blick und hilft im Alltag.

 

Wieviel Zeit benötigen Sie für diese Aufgabe?

Die Zeit ist nicht wichtig. Wichtig ist es, zu sehen, was nottut und auf Änderung hinzuwirken.

 

Wofür fehlt der Anwaltschaft die Zeit?

Bildung, umfassende Geistes- und Herzensbildung, Vor- und Nachdenken, ist immer auch Fortbildung für den Beruf. Das Tagesgeschäft im Alltag lässt dafür oft nicht genug Zeit.

 

Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Eher nicht. Ich bevorzuge das Gespräch mit dem Einzelnen, dem Gegenüber.

 

Was macht Sie wütend?

Nichts. Wütend zu sein habe ich mir abgewöhnt. Es gilt der Satz von Voltaire: ‚ich habe erkannt, dass es gut für meine Gesundheit ist, wenn ich glücklich bin. Also habe ich beschlossen, glücklich zu sein.‘ Es gibt immer die Möglichkeit, die Dinge ins Positive zu bringen. Ich muss nur anders denken. Es richtig sehen.

 

Welchem Thema würden Sie ein Buch widmen und mit welchem Titel?

Das Thema: richtig sein. Der Titel: Zen und die Kunst der Pflichtverteidigung.

 

Welche Veränderungen im Berufsalltag schätzen Sie besonders?

Auch wenn dies vielleicht gar nicht erfragt ist: meine täglichen Veränderungen, dass ich es wie ein Journalist mit jeder Neuigkeit, immer wieder mit anderen Menschen zu tun habe und oft unterwegs bin, deutschlandweit. Dort die Üblichkeiten kennenlerne, die Unterschiede sehen kann und immer wieder, täglich, etwas dazulerne.

 

Mit wem würden Sie gern einen Tag die Rolle tauschen?

Sokrates, Laotse, Epiktet, Zhuangzi

 

Haben Männer es in ihrem Beruf leichter als Frauen?

Früher war es mit Sicherheit so. Inzwischen wohl weniger. Die Gesellschaft war und ist noch immer hierarchisch, patriarchalisch und es gilt das Senioritätsprinzip. Oben vor unten, alt vor jung und Mann vor Frau. Das ist, der Göttin Vernunft sei Dank, derzeit im Abklingen begriffen.

Die richtige Sichtweise hilft. Es gibt nur gute Menschen. Der eine ist gut, weiß wie es richtig ist und verhält sich auch so. Der andere ist auch gut, weiß nicht genau wie es richtig ist und verhält sich leider auch noch so. Das Weltbild kommt vom Menschenbild und das Menschenbild kommt vom Selbstbild. Zu unterscheiden ist nur zwischen glücklichen und unglücklichen Menschen und die Unglücklichen verhalten sich unglücklich. Schuld gibt es nicht: Es gibt nur Ursächlichkeit und Verantwortung.

 

Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie?

Das eine ist auch das andere. Viele Interessen. Alles wissen wollen, um richtig zu handeln, um richtig zu sein.

 

Ihr größter Flop?

Unbekannt. Alles ins Positive wenden, ist mir zu eigen. Daher: unbekannt.

Sicherlich gelingt einmal etwas nicht, so wie man es sich zuvor gewünscht oder vorgestellt hatte. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, alles von der positiven Seite her zu betrachten. Und die gibt es – immer.

 

Was lesen/hören/schauen Sie morgens als erstes?

Zunächst schaue ich: wie geht es meiner Frau. Dann höre ich die Stille des frühen Tages.

Und ich lese in einem der vielen Bücher, die immer in Griffweite sind.

 

Ihr liebstes Hobby?

Kunst, Kultur, Grand Litera-Tour, Reisen. Früher Psychologie, heute Philosophie. So, wie Schopenhauer es sagt: die ersten vierzig Jahre sind Text, der Rest Kommentar. Und, ähnlich wie Marx, aber mit anderen Inhalten: die Philosophen haben die Welt nur interpretiert. Es gilt, sie ins ‚richtig‘ zu verändern.

 

Welche berufliche Entscheidung würden Sie rückblickend anders treffen?

So wie es war, ist es gut und richtig. Wir mäandrieren. These – Antithese – Synthese. Stoße ich mir nicht die Nase, ändere ich nicht die Richtung und werde nicht (nase)weis.

 

Welcher Rat hat Ihnen auf Ihrem Berufsweg besonders geholfen?

Ein Satz meiner Großtante Josepha Grauheer, einer Lehrerin, der ersten promovierten Frau im Sauerland, den diese meiner Mutter als Rat gab und den meine Mutter an mich weitergab: „Lerne nicht nur das aufgegebene Pensum. Lies auch die Seiten davor und danach.“ Mir hilft es, das, was ich tue, richtig zu verstehen und mich damit richtig zu verhalten, richtig zu sein, wenn ich die Bezüge kenne und weiß, woher es kommt, wohin es führt und wozu es dient.

Kammerton 01/02-2024