Die Verpflichtung zur unverzüglichen Ablehnungsmitteilung gem. § 44 BRAO

Nach § 44 BRAO sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verpflichtet, die Ablehnung eines ihnen angetragenen Mandats unverzüglich zu erklären. Die anwaltliche Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung gem. § 43 S.1 BRAO verlangt, dass der Mandant oder die Mandantin nicht im Unklaren gelassen wird, ob das Angebot auf Abschluss des Anwaltsvertrages angenommen wird[1].

Voraussetzung ist, dass der Rechtsanwalt gem. § 44 S.1 BRAO „in seinem Beruf“, d.h. als Berater und Vertreter in Rechtsangelegenheiten beauftragt werden soll. Wenn dies beispielsweise bei privaten Anfragen unklar ist, sollte der Anwalt auf Klarstellung drängen. Wenn eindeutig ist, dass der Anfragende nur vordergründig Rechtsrat erbittet, er aber eigentlich Daten der Anwaltskanzlei für rechtsmissbräuchliche Zwecke erhalten will, entsteht die Pflicht zur Ablehnung gem. § 44 S.1 BRAO nicht[2]. Anweisungen und Aufträge, die Syndikusrechtsanwältinnen und –anwälte im Rahmen ihrer Beschäftigungsverhältnisse vom Dienstherrn erhalten, fallen nicht unter § 44 BRAO, sondern unter Dienstvertragsrecht[3]

Weitere Voraussetzung ist, dass das Auftragsangebot i.S.v.§ 130 BGB zugegangen sein muss. Die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt hat seine Kanzlei so zu organisieren, dass ihm Eingänge unverzüglich vorgelegt werden. Auch die dem Büropersonal vorgetragene Bitte um Übernahme eines Auftrages ist dem Rechtsanwalt zugegangen und löst die Mitteilungspflicht aus[4].

Die Ablehnung des Auftrags muss dem potentiellen Mandanten unverzüglich, das heißt „ohne schuldhaftes Zögern“ (§121 BGB) erklärt werden. Grundsätzlich steht dem Anwalt eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist zu. Die Dauer hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Kann der Anwalt aus dem Auftrag ohne aufwendige Prüfung erkennen, dass Fristablauf droht, muss er sofort handeln[5].

Die Ablehnung kann in jeder Form erfolgen, allerdings empfiehlt sich die Schriftform. Eine Begründung muss die Ablehnung nicht enthalten[6]. Verzögert der Rechtsanwalt die Mitteilung der Auftragsablehnung schuldhaft, macht er sich gem. § 44 S. 2 BRAO schadensersatzpflichtig. § 44 S.2 BRAO ist lex specialis gegenüber §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Wenn das Angebot auf Vertragsschluss an die Gesellschaft und nicht an ein bestimmtes Sozietätsmitglied gerichtet ist, haften die Mitglieder einer als GbR verfassten Berufsausübungsgesellschaft gesamtschuldnerisch[7]. Für das Verschulden der Büroangestellten muss die Anwältin oder der Anwalt gem. § 278 BGB einstehen.

Der Anwalt muss dem potentiellen Mandanten den Schaden ersetzen, der diesem daraus entsteht, dass der Anwalt sich nicht unverzüglich erklärt hat. Es ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei vertragsgerechtem Vorgehen des Anwalts genommen hätten. Wenn auch bei rechtzeitiger Reaktion der Anwältin oder des Anwalts der beim potentiellen Mandanten entstandene Schaden nicht hätte vermieden werden können, fehlt es an der Kausalität zwischen Pflichtwidrigkeit und Schaden.
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[1] Henssler/Prütting, BRAO-Kommentar, 5. Aufl. 2019, § 44 BRAO, Rz. 3
[2] Kammerton 09/2013, S. 285
[3] Henssler/Prütting, a.a.O, § 44 BRAO, Rz. 5
[4] Feuerich/Weyland, BRAO-Kommentar, 9. Aufl. 2016, § 44 BRAO, Rz. 8
[5] Henssler/Prütting, a.a.O, § 44 BRAO, Rz. 10
[6] Hartung/Scharmer, 6. Aufl., 2016, BORA/FAO-Kommentar, §44 BRAO, Rz. 10
[7] BGHZ 56, 355 = NJW 1971, 1801

Kammerton 08-2019