09.05.2025

Nach der Absetzung des Präsidenten und des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Istanbul: Welche Gefahren drohen der türkischen Rechtsordnung?

Einladung zur Veranstaltung am Montag, 12. Mai 2025, 18 Uhr, in den Räumen der Rechtsanwaltskammer Berlin, Litten 9, 10179 Berlin

  • Begrüßung: Rechtsanwältin Dr. Vera Hofmann, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Berlin
  • Grußwort Prof. Dr. Ibrahim Kaboğlu, Präsident der Rechtsanwaltskammer Istanbul (online)
  • Vortrag von Avukat Prof. Dr. jur. Mehmet Köksal, Vertreter der Rechtsanwaltskammer Istanbul in Deutschland
  • Moderation: Rechtsanwältin Ursula Groos, Vizepräsidentin und Menschenrechtsbeauftragte der Rechtsanwaltskammer Berlin

Der Kollege Prof. Dr. Köksal wird über die Hintergründe und Details der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren gegen den Präsidenten und den Vorstand informieren und im Anschluss für Fragen und eine Diskussion zur Verfügung stehen.

Im Anschluss an die Veranstaltung besteht die Möglichkeit, sich bei einem Imbiss auszutauschen.

Hintergrund

Im Verlauf des Frühjahres 2025 ereigneten sich rund um den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Istanbul Vorgänge, die in der türkischen Justizgeschichte einmalig sind.

Im Januar 2025 wurden Strafverfahren gegen den Präsidenten, Prof. Dr. Ibrahim Kaboğlu, und die Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer Istanbul eingeleitet. Dies erfolgte ohne die vorherige Einholung der Zustimmung des Justizministeriums. Darüber hinaus wurden die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nicht vorab über die Ermittlungen informiert, sondern erfuhren davon aus der Presse. Diese Vorgehensweise steht nicht im Einklang mit der türkischen Strafprozessordnung.

Parallel dazu wurde gegen den Präsidenten und die Vorstandsmitglieder ein Zivilverfahren eingeleitet, mit dem Ziel, sie von ihren Ämtern abzusetzen und treuhänderisch eine andere Verwaltung einzusetzen. Der Vorwurf hier lautet, dass sie „außerhalb ihres gesetzlichen Auftrages“ gehandelt hätten. Anlass war, dass das Gremium im Dezember 2024 eine unabhängige Untersuchung der Tötung zweier kurdischer Journalisten in Nordsyrien gefordert hatte. Diese waren durch einen türkischen Drohnenangriff ums Leben gekommen und es steht der Verdacht im Raum, dass es sich um einen Verstoß gegen das Völkerrecht bzw. auch um ein Kriegsverbrechen handeln könnte.

Das vor dem Zivilgericht gegen sie geführte Verfahren erachten unsere Kolleginnen und Kollegen zum einen für verfassungswidrig und haben erfolglos beantragt, die Frage der Zulässigkeit des Verfahrens dem türkischen Verfassungsgericht vorzulegen. Außerdem bestreiten sie, mit der Forderung nach Einsetzung einer Untersuchungskommission außerhalb ihres Auftrages gehandelt zu haben. Vielmehr sehen sie ihren originären Auftrag darin, mit dafür Sorge zu tragen, dass Gesetze eingehalten werden, hier insbesondere die Völker-, Menschen- und Verfassungsrechte. Im vorliegenden Fall sehen sie das Recht auf Leben und die besonderen Schutzrechte für Journalistinnen und Journalisten in Krisen- und Kriegsgebieten verletzt. Dem ist das Gericht ebenfalls nicht gefolgt. Nur von der Einsetzung einer treuhänderischen Verwaltung wurde abgesehen.

Die Kolleginnen und Kollegen sind gegen das Urteil in Berufung gegangen und sind sehr alarmiert. Sie sehen voraus, dass das türkische Rechtssystem ohne unabhängige Anwaltskammern und ohne die freie Berufsausübung der Anwaltschaft zusammenbrechen wird. Dies wäre mit weitreichenden Folgen für alle Menschen in der Türkei verbunden, deren Zugang zum Recht nicht mehr gewährleistet sein wird.

Bereits jetzt beobachten die Kolleginnen und Kollegen, dass u.a. der Grundsatz des Vorrangs des Rechts in Frage gestellt, kritische politische Haltungen und Anwältinnen und Anwälte, die sich für die Wahrung der Menschen- und Verfassungsrechte einsetzen und damit schlicht ihre Berufspflichten erfüllen, kriminalisiert werden, sowie missliebige Urteile des Verfassungsgericht und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Frage gestellt und ignoriert werden.

Die Rechtsanwaltskammer Berlin hat gemeinsam mit dem RAV, der VDJ und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. am 25.03.2025 eine Presseerklärung zur Absetzung bei der RAK Istanbul veröffentlicht und sich am 14. April 2025 der Erklärung eines internationalen Bündnisses gegen die Angriffe auf die türkische Anwaltschaft angeschlossen.

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